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Heterofamilie als Schulfach
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Heterofamilie als Schulfach Die Türkei stellt Menschenrechte in Frage und will Homosexualität bekämpfen

ms - 15.09.2023 - 13:00 Uhr

Nicht nur in weiten Teilen Deutschlands, auch in der Türkei hat in diesen Tagen das neue Schuljahr wieder begonnen – mit einer kleinen Besonderheit: das Land hat ein neues Schulfach eingeführt, das sich direkt gegen Schwule und Lesben richtet. Der Titel des neuen Kurses: „Die Familie in der türkischen Gesellschaft“.

Homosexualität bekämpfen

Zuvor hatte in dieser Woche der türkische Bildungsminister Yusuf Tekin in einem Fernseh-Interview mit 24 TV den neuen Lehrplan vorgestellt und betont, die Behörden hätten die Verantwortung, „Homosexualität zu bekämpfen“ und die Familie als „vorrangiges Thema“ zu etablieren. Für welches Alter der Kurs angeboten wird, ließ der Minister noch offen. Vorerst sei die Lerninitiative noch ein Wahlfach, wobei fraglich sein dürfte, wie frei diese Wahlentscheidung schlussendlich tatsächlich ist oder bleiben wird. 

Menschenrechte müssten „neu bewertet“ werden

Tekin betonte weiter: „Wir wollen eine Generation heranziehen, die den künftigen Generationen die Werte und die Unabhängigkeit dieses Landes vermitteln kann. Wir sind verpflichtet, auf unsere eigene Weise zu kämpfen.“ Explizit erklärte der Bildungsminister außerdem, dass dazu auch die allgemeinen Menschenrechtserklärungen „neu bewertet“ und möglicherweise auch  „geändert“ werden sollten, da diese die Rechte von Homosexuellen schützen würden. „Wenn Sie mich fragen, müssen wir uns mit diesem Problem jetzt befassen, indem wir die grundlegenden Menschenrechtstexte diskutieren, die wir als universell beanspruchen.“

Permanente Angriffe auf die Community

Die Agenda reiht sich ein in die permanenten Angriffe der türkischen Regierung sowie von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen Homosexuelle und die LGBTI*-Community im Land. Bereits vor der Wahl in diesem Jahr versprach der Langzeitpräsident, härter vorgehen zu wollen; nach seinem Wahlsieg im Mai dieses Jahres hat er seinen Worten Taten folgen lassen. Erst in diesen Tagen betonte Erdogan erneut: „Wir werden das tun, was wir unserem Volk für die kommende Zeit versprochen haben. Die Familie ist für uns heilig.“

Immer wieder war es in diesem Jahr auch zu gewalttätigen Angriffen auf die LGBTI*-Community in der Türkei gekommen, auch direkt gegen Pride-Paraden. Für den kommenden Sonntag ist erneut eine der größten Anti-LGBT-Kundgebungen mit dem Titel „Die große Familienversammlung gegen die Perversion“ geplant, organisiert von islamistischen und konservativ-gläubigen Gruppen, unterstützt von der türkischen Regierung. Über 200 Organisationen nehmen an der Demonstration in Istanbul teil.

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