25 Jahre Anyway LGBTI*-Jugendliche outen sich heute deutlich früher als damals
In Köln wird in diesen Tagen 25 Jahre Anyway gefeiert – die Beratungsstelle für LGBTI*-Jugendliche und junge Erwachsene ist seit einem Vierteljahrhundert zur Stelle, wenn es um das Coming-Out, Diskriminierung, Mobbing oder auch Depressionen geht. Dabei zeigte sich in den letzten Jahren, dass die Anfragen sowie auch die Dramatik der Fälle rapide zugenommen haben.
Ein Beschleuniger dieser Entwicklung war die Corona-Pandemie, ein anderer der stetig steigende Hass auf LGBTI*-Menschen in Deutschland, der sich nicht nur im Internet, sondern auch durch die jährlichen Fallzahlen bei der Hasskriminalität in Deutschland widerspiegelt.
Fehlendes Zugehörigkeitsgefühl
Im Gespräch mit dem WDR erklärten LGBTI*-Jugendliche, wie für sie das Anyway zur Anlaufstelle geworden ist, wichtig sei dabei das Zugehörigkeitsgefühl gewesen, das ihnen gerade in der Schule oftmals gefehlt habe. Die Beratungsstelle verweist dabei auf eine bundesweite Studie des Deutschen Jugendinstituts, demnach rund 80 Prozent der LGBTI*-Jugendlichen in Deutschland bereits Beschimpfungen, Spott und Ausgrenzung erfahren haben.
In den letzten Jahren haben diese Erfahrungen noch zugenommen, wie Jugendberaterin Rabea Maas gegenüber SCHWULISSIMO erklärte: „Das dritte Jahr der Corona-Pandemie lässt das Realität werden, wovor Expert:innen lange gewarnt haben: einen massiven Anstieg des psychischen Leidens insbesondere bei vulnerablen Gruppen. Die Jugendberatungsstelle des Anyway für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Jugendliche sowie junge Erwachsene in Köln erlebt genau das.“ Dabei seien die Beratungsanfragen im Schnitt um rund ein Viertel angestiegen und immer öfter kommen neben klassischen Themen wie dem Coming-Out auch Aspekte wie Angst und Depressionen dazu.
4.000 LGBTI*-Jugendliche suchen jährlich Rat
Seit 1998 gibt es das Anyway in Köln – der Bedarf an Schutzräumen war dabei immer hoch. Vor 25 Jahren war das Kölner Jugendzentrum eines der ersten seiner Art für LGBTI*-Jugendliche in ganz Europa. Rund 1.400 junge Menschen im Alter zwischen 14 und 27 besuchen inzwischen jedes Jahr persönlich die Beratungsstelle, insgesamt berät die Einrichtung mit ihren 13 Mitarbeitern rund 4.000 LGBTI*-Jugendliche jährlich.
Nach wie vor betreibe das Jugendzentrum dabei auch bis heute sehr viel Pionierarbeit, so Geschäftsführer Jürgen Piger gegenüber dem WDR. Wöchentlich bekomme das Anyway so auch Anfragen von Schulsozialarbeitern und Eltern, die schlicht überfordert sind. Auch Führungskräfte oder Kollegen von anderen Jugendeinrichtungen würden immer wieder um Rat beim Anyway anfragen.
Eigentlich müsste mit steigenden Fallzahlen und stetig mehr Anfragen klar sein, dass eine Beratungsstelle wie das Anyway wichtig ist – trotzdem musste der Verein zuletzt erst 2022 um die weitere Finanzierung mit der Stadt Köln kämpfen – erst nach wochenlangen Protesten hatten die Stadtoberen ein Einsehen.
Jugendliche outen sich früher
Eines habe sich mit Blick auf die letzten 25 Jahre allerdings geändert, so Piper weiter – LGBTI*-Jugendliche outen sich inzwischen deutlich früher, teilweise schon im Alter von elf oder zwölf Jahren. Trotzdem zeigt sich, dass für viele junge LGBTI*-Menschen die ersten Schritte hinein in die Community bis heute als besonders schwierig wahrgenommen werden. Auch die Bandbreite habe sich geändert, denn bis vor wenigen Jahren ging es hauptsächlich um schwule und lesbische Jugendliche, inzwischen kommen verstärkt weitere LGBTI*-Bereiche wie beispielsweise Transsexualität mit hinzu.
Bei den Feierlichkeiten in dieser Woche brachte es Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) aus Nordrhein-Westfalen so auf den Punkt: "Das Anyway ist ein Ort, an dem gelebt wird, was überall selbstverständlich sein sollte: Gutes Miteinander, bereichernde Vielfalt, echte Toleranz."