Wenig Wissen! Medizinische Einrichtungen sind nicht gut vorbereitet auf Queers, so die Aidshilfe.
Medizinische Einrichtungen und Beratungsstellen in Deutschland sind auf trans und nicht-binäre Menschen nicht ausreichend vorbereitet, dabei würden diese besonderen Risiken unterliegen, wie die Deutsche Aidshilfe (DAH) jetzt feststellt. So sei diese Menschengruppe zum Beispiel auch häufiger von HIV betroffen als der Durchschnitt der Bevölkerung (0,7 statt 0,1%), so die zentralen Ergebnisse der Studie „Sexuelle Gesundheit und HIV/STI in trans und nicht-binären Communitys“ in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut (RKI).
Queere Menschen werde nicht mitgedacht
Es ist das erste Mal laut DAH, dass gesicherte und wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse hierzu in Deutschland vorliegen. Der Abschlussbericht gibt außerdem Empfehlungen, wie Lücken geschlossen und die Qualität der Versorgung gesteigert werden könnten. „Mit Blick auf HIV und Geschlechtskrankheiten ist ein leichter Zugang zu kompetenten Angeboten für Beratung, Tests und Behandlung unverzichtbar. Trans und nicht-binäre Menschen können sich darauf in Deutschland noch nicht verlassen. Sie müssen mit Unwissenheit und Diskriminierung rechnen – und damit, dass sie schlicht nicht mitgedacht werden. Das muss sich dringend ändern!“, so Sylvia Urban vom Vorstand der DAH.
Höheres Risiko für psychische Erkrankungen
Für die genannte Studie befragte das Robert Koch-Institut mehr als 3.000 Menschen online, die DAH sprach in Workshops mit 59 Personen über ihre Erfahrungen. Die Zielgruppen waren in jede Phase des Forschungsprojektes eingebunden, die Forscher gehörten teilweise selbst zu den erforschten Communitys. Die Ergebnisse bestätigen auch, dass queere Menschen bei psychischen Belastungen einem höheren Risiko ausgesetzt sind, weil nebst Diskriminierungserfahrungen und Stigmatisierung auch bestimmte Körperteile als unpassend empfunden werden (Geschlechtsdysphorie).
Beim Sex beweisen müssen
Auch in puncto Sexualität gäbe es deutliche Unterschiede, so gaben beispielsweise 79 Prozent der Befragten an, schon einmal das Gefühl gehabt zu haben, beim Sex ihre Geschlechtsidentität durch ihr Verhalten beweisen zu müssen. Mehr als der Hälfte (55%) fällt es nicht leicht, ihre Bedürfnisse beim Sex zu äußern und diesen aktiv mitzugestalten. Und etwas jedem dritten queeren Menschen (31%) fällt es noch schwer, „Nein“ zu Sex zu sagen, den sie nicht möchten. Die Beratung von trans und nicht-binären Menschen müsse daher psychosoziale Komponenten besonders berücksichtigen, so die DAH weiter.
Grundlagenschulungen in der Medizin
Dabei mangele es im Gesundheitssystem oftmals noch an „entscheidenden Kenntnissen“ bezüglich queeren Menschen und ihren Bedürfnissen. So gaben auch 17 Prozent der Befragten an, sie hätten aus Angst vor Diskriminierung bereits auf bestimmte Leistungen verzichtet. Die DAH fordert daher unter anderem flächendeckende Grundlagenschulungen im medizinischen Bereich und auch die vollständige Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen. „Was benötigt wird, ist jetzt wissenschaftlich genau beschrieben. Nun liegt der Ball bei der Politik, den Bundesbehörden und medizinischen Einrichtungen sowie Test- und Beratungsangeboten gleichermaßen. Auf allen Ebenen gibt es großen Handlungsbedarf!“, so DAH-Vorstand Sylvia Urban abschließend.