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Trauriges Gedenken

Trauriges Gedenken Dresden gedenkt dem grausamen Angriff auf ein schwules Paar vor drei Jahren

ms - 04.10.2023 - 09:00 Uhr
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Die Landeshauptstadt Dresden sowie der Freistaat Sachsen gedenken heute an die grausame und tödliche Attacke auf ein schwules Paar vor drei Jahren, einer der beiden Männer wurde durch den Messerangriff so schwer verletzt, dass er kurz darauf verstarb.

Homophobe Attacke in der Altstadt

Der Vorfall ereignete sich in den Abendstunden mitten in der Dresdner Altstadt in der Nähe des berühmten Residenzschlosses – ein damals 21-jähriger Syrer war ohne Vorwarnung oder ersichtlichen Grund aus homophoben Motiven am 04. Oktober 2020 auf das schwule Männerpaar losgegangen und hatte sie mit zwei Messern niedergestochen. Einer der beiden Männer, der damals 55-jährige Krefelder Thomas L., verstarb an den Verletzungen; sein 53-jähriger Partner Oliver L. aus Köln überlebte schwer verletzt.  

Gedenktag für ermordeten 55-jährigen Thomas L.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) erklärte zum heutigen Gedenktag, dass der brutale Angriff „unauslöschlich in unseren Herzen und Gedanken“ bleibe. Ferner sagte Hilbert, dass damit auch die offene Gemeinschaft insgesamt und die grundlegenden Werte unserer Demokratie angegriffen worden seien: „Wir dürfen niemals nachlassen, uns mit Entschlossenheit gegen jegliche extremistischen Kräfte zu stellen, die unsere freiheitliche und vielfältige Gesellschaft bedrohen.“ Bei der Gedenkveranstaltung soll unter dem Motto „Gegen Extremismus und Intoleranz: Gemeinsamer Zusammenhalt als Antwort“ dem ermordeten 55-Jährigen gedacht werden.

Schweigen bei Polizei und Behörden

Trotz erster Anzeichen für ein homosexuellenfeindliches Tatmotiv hatten die sächsische Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenministerium damals lange Zeit verschwiegen, dass es sich um ein mögliches schwulenfeindliches Hassverbrechen gehandelt hatte. Dies wurde erst nach Medienrecherchen öffentlich. „Dieses Schweigen, diese Unbeholfenheit und Insensibilität bagatellisieren Gewalt gegen LSBTI. Sie machen sie unsichtbar und wiederholen so ein zentrales Muster von Homophobie und Transfeindlichkeit. Diese Ignoranz ist schmerzhaft und erschüttert einmal mehr das Vertrauen von LSBTI in Justiz und Sicherheitsbehörden“, urteilte damals der Lesben- und Schwulenverband Deutschland.

Homosexuelle mit dem Tode bestrafen

Der junge Syrer Abdullah al H. H. hatte in der Haft schlussendlich seine Tat zugegeben und war im Mai 2021 wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dabei betonten die Richter die besondere Schwere der Schuld – eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ist damit praktisch ausgeschlossen.

Der verurteilte Täter hatte dabei bewusst das schwule Paar als Tatopfer ausgewählt, um sie „als Repräsentanten einer vom ihm als ungläubig abgelehnten freiheitlichen und offenen Gesellschaftsordnung anzugreifen" und sie für ihre Homosexualität, die er als schwere Sünde empfand, mit dem Tode zu bestrafen. Noch vor Gericht sagte er: „Wenn ich aus der Haft komme, werde ich hier in diesem Land Leute töten.“

Bereits vor dem Mord war Abdullah al H. H. polizeibekannt gewesen, sympathisierte mit dem Islamischen Staat  und hatte zuvor eine Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung im Ausland abgesessen.

Schweigen von Geistlichen nicht hinnehmbar!

„Homophobie und Transfeindlichkeit gehören zum Kernbestand menschenfeindlicher und Gewalt legitimierender Ideologien wie Rechtsextremismus oder Islamismus. Hasskriminalität geschieht aber weit über den Bereich des politischen Extremismus hinaus. Es radikalisieren sich wesentlich stärker verbreitete gesellschaftliche und religiöse Mehrheitsmeinungen. So lehnen nach wie vor weite Teile der katholischen Kirche, orthodoxe Kirchen, evangelikale Gruppen und die meisten islamischen Verbände und Gemeinden in Deutschland gelebte Homosexualität als schwere Sünde ab. Sie unterscheiden sich aber in der Härte der Verurteilung. Es ist unverantwortlich, wenn religiöse Autoritäten zu konkreten Fällen von Diskriminierung und Gewalt gegenüber LSBTI konsequent schweigen oder sie nicht eindeutig und öffentlich verurteilen. Menschenverachtende, feindliche und hetzerische Predigen dürfen in den Gemeinden nicht geduldet werden. Es ist nicht von der Religionsfreiheit gedeckt, LSBTI die Grundrechte abzusprechen. Kein heiliger Text steht über den Rechten, die unser Grundgesetz garantiert“, so der LSVD weiter.

Die Fälle von Hasskriminalität in Deutschland sind seitdem von Jahr zu Jahr weiter angestiegen mit einem Zuwachs von teilweise bis zu 50 Prozent jährlich. Die meisten Opfer solcher verbalen und körperlichen Attacken im Bereich LGBTI* sind mit großem Abstand schwule Männer.  

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