Streit um Asyl Britische Innenministerin hält LGBTI*-Diskriminierung allein für keinen ausreichenden Asylgrund
Die britische konservative Regierung und die Opposition scheinen in diesen Tagen aus den Streitigkeiten gar nicht mehr herauszukommen – während noch die Debatten rund um ein nun wahrscheinlich doch nicht kommendes Verbot von Konversionstherapien kreisen, nimmt bereits die nächste verbale Auseinandersetzung im Themenfeld LGBTI* an Fahrt auf; dieses Mal dreht sich alles um die Frage, wie künftig mit LGBTI*-Flüchtlingen umgegangen werden soll – auch in Deutschland gibt es hier aktuell heftige Auseinandersetzungen.
Wann ist ein LGBTI*-Mensch asylberechtigt?
Vorausgegangen war eine Rede der britischen Innenministerin Suella Braverman in dieser Woche vor dem American Enterprise Institute in Washington DC. Mit Blick auf LGBTI*-Flüchtlinge sagte die Politikerin, dass viele Menschen „nur“ aus Angst vor einer möglichen Diskriminierung aus ihrer Heimat fliehen würden, nicht aber aus tatsächlicher Verfolgung heraus – was die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Asylantrag sei.
„Um es klar zu sagen: Es gibt weite Teile der Welt, in denen es extrem schwierig ist, homosexuell zu sein oder eine Frau zu sein“, so Braverman, die zudem betonte: „Wo Menschen verfolgt werden, ist es richtig, dass wir ihnen Zuflucht bieten. Aber wir werden kein Asylsystem aufrechterhalten können, wenn es ausreicht, einfach nur schwul oder eine Frau zu sein und Angst vor Diskriminierung in seinem Herkunftsland zu haben, um Schutz zu erhalten.“
LGBTI*-Menschen als Sündenbock?
Nachdem die Aussagen durch die britische Times inzwischen landesweit verbreitet worden sind, hagelt es massive Kritik an Braverman von mehreren LGBTI*-Verbänden. Sebastian Rocca, Geschäftsführer der LGBTI*-Asylorganisation Micro Rainbow, erklärte: „Die Kommentare der Innenministerin sind zutiefst beunruhigend. LGBTI*-Menschen sind oft mit Tod, Gefängnis und Gewalt konfrontiert. Wenn sie in das Vereinigte Königreich kommen, um Sicherheit zu suchen, müssen sie aktuell ein Asylsystem durchlaufen, das retraumatisierend und entmenschlichend ist (…) Mit diesen Äußerungen sollen Migranten und LGBTI*-Menschen wieder einmal zum Sündenbock gemacht werden, um politische Vorteile zu erlangen.“
Grausame Rhetorik gegen Homosexuelle?
Auch ein zweiter LGBTI*-Verein für Flüchtlinge, Rainbow Migration, zeigte sich entsetzt und sagte, die Innenministerin stelle damit die Legitimität von LGBTI*-Menschen in Frage. „Aus den Statistiken der Regierung geht hervor, dass nur zwei Prozent aller Asylanträge im Jahr 2022 die sexuelle Orientierung als Grund für die Schutzbedürftigkeit angegeben haben. Es ist also bereits jetzt der Fall, dass LGBTI*-Menschen eine begründete Angst vor Verfolgung haben müssen, um sich für Flüchtlingsschutz im Vereinigten Königreich zu qualifizieren", so ein Sprecher der Organisation. Die Innenministerin solle mit ihrer „grausamen Rhetorik“ aufhören, so die weiteren Forderungen.
Todesgefahr für LGBTI*-Flüchtlinge steigt
Kritik kommt auch von der oppositionellen Labour Partei – die Abgeordnete Diane Abbott sagte, Braverman „will so tun, als ob schwule Menschen aus trivialen Gründen Asyl erhalten.“ Und ihre Kollegin Nadia Whittome ergänzte: „In vielen Ländern ist die Verfolgung von LGBTI*-Menschen weit verbreitet, während diskriminierende Gesetze konkret bedeuten, dass ihnen Gefängnis oder sogar die Todesstrafe droht, nur weil sie sich selbst sind. Diejenigen, die in das Vereinigte Königreich fliehen, müssen bereits entmenschlichende 'Tests' über sich ergehen lassen, um ihre Identität zu beweisen, und werden immer noch regelmäßig vom Innenministerium abgelehnt. Wenn Braverman die internationale Gemeinschaft ermutigt, sich von LGBTI*-Flüchtlingen abzuwenden, erhöht sich das Risiko, dass die Menschen in den Tod geschickt werden.“