Selbstbestimmungsgesetz Kritiker und Befürworter treffen aufeinander – LSVD+ warnt vor Konferenz
Von heute an treffen Kritiker und Befürworter des Selbstbestimmungsgesetzes in mehreren Städten in Deutschland aufeinander. In Berlin diskutiert ab heute die „Society for Evidence-Based Gender Medicine“ (SEGM) mit über 40 Referenten darüber, wie man „geschlechtsdysphorische junge Menschen verstehen und unterstützen kann“. Der LSVD+ kritisiert die Veranstaltung als „unwissenschaftliche Konferenz, die queerfeindliche Thesen“ verbreitet. Parallel dazu ruft die queer-feministische Protest- und Kampagnenbewegung Queermany heute in mehreren Städten bundesweit dazu auf, für das Selbstbestimmungsgesetz und gegen die geplante Registrierung von CDU-Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CDU) zu demonstrieren.
Kritik an CDU-Plänen zum SBGG
Dobrindt plant die Einführung der Übermittelung der personenbezogenen Daten beim Personenstandwechsel an alle maßgeblichen Behörden wie beispielsweise dem Bundeskriminalamt, der Polizei, dem Verfassungsschutz oder auch dem Flüchtlingsamt, um so Missbrauch vorzubeugen. Der Verband Queere Vielfalt (LSVD+) kritisierte das Vorhaben bereits im Sommer und erklärte: „Dadurch entsteht faktisch ein Mechanismus, der das ´alte Geschlecht´ dauerhaft mitführt, obwohl das SBGG gerade darauf abzielt, dass Menschen nach einer Änderung nicht mehr an ihren früheren Geschlechtseintrag gebunden sind.“
Ähnlich sieht das auch Queermany, Gründerin Penelope Alva Frank sprach von einem „Sonderregister“, das queere Menschen verletzlich machen würde. In Berlin, Hannover, Göttingen, Mönchengladbach, Heidelberg und Dessau wird deswegen ab heute Nachmittag dagegen demonstriert.
Debatte im Bundestag und bei Konferenzen
Auch anderweitig steht das Thema Selbstbestimmungsgesetz in diesen Tagen erneut im Mittelpunkt. Die AfD fordert mit einer Debatte heute Abend im Bundestag, das SBGG „unverzüglich aufzuheben“, eine „evidenzbasierte Neuregelung“ zu schaffen und „frauenspezifische Schutzräume sicherzustellen“. Zudem sollten Übergangsregeln geschaffen werden, die Schutzmechanismen für Jugendliche und Menschen mit psychischen Vorerkrankungen vorsehen. Über das gleiche Thema ruft der Frauenverein „Frauenheldinnen“ kommende Woche zur Protest- und Aufklärungsaktionen in Berlin und Münster unter dem Motto „Transmedizin macht krank – ein Leben lang“ auf.
Bereits heute startet die viertägige Veranstaltungsreihe der SEGM. Der LSVD+ erklärte dazu: „Unter dem Deckmantel vermeintlicher Forschung und Ethik werden gezielt Zweifel an der Selbstbestimmung von trans* Menschen geschürt und ihre Rechte infrage gestellt (…) Internationale und deutsche Akteur*innen, die seit Jahren mit gezielten Desinformationen gegen transgeschlechtliche Menschen Stimmung machen, sollen bei der SEGM auftreten. Ihr Ziel: die notwendige medizinische Versorgung von queeren Jugendlichen und Erwachsenen zu delegitimieren und politische Restriktionen durchzusetzen.“ Und Florian Winkler-Schwarz, Geschäftsführer des LSVD+ Berlin-Brandenburg, ergänzt: „Wir warnen Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Wissenschaftler*innen ausdrücklich davor, an dieser Konferenz teilzunehmen. Wer sich dort einbringt, macht sich mitschuldig daran, eine diskriminierungsfreie medizinische Versorgung queerer Menschen zu untergraben.“ Die SEGM selbst erklärte indes, sie sei frei von politischen, ideologischen, religiösen oder finanziellen Einflüssen und wolle „evidenzbasierte Prinzipien im Bereich der Jugend- und Geschlechtsmedizin“ fördern.
Unterstützung vom Frauenhaus und Jugend-Verband
Zur Debatte um das SBGG erklärte zudem die Geschäftsführerin der Frauenhauskoordinierung (FHK) Sibylle Schreiber: „Wie erwartet hat das SBGG an der Situation in Frauenhäusern nichts geändert. Vor der Verabschiedung des Gesetzes kursierte die angebliche Sorge, dass cis Männer sich durch schlichte Änderung des Vornamens oder Geschlechtseintrags missbräuchlich Zugang zu Frauenhäusern verschaffen könnten. Dieser unrealistischen Annahme haben wir schon damals widersprochen.“ Und Robin Ivy Osterkamp aus dem Vorstand des Bundesverband Trans* betonte: „Eine Demokratie muss sich daran messen lassen, wie sie mit Gruppen umgeht, die Diskriminierung ausgesetzt sind. Stellt sie sich nicht schützend vor diese Gruppen, werden deren Menschenrechte als etwas Optionales dargestellt. Das widerspricht dem Grundgesetz.“
Oska Jacobs aus dem Bundesvorstand des Jugendnetzwerk Lambda blickt dabei insbesondere auf junge queere Personen: „Mit der Vulnerabilität junger Menschen zu argumentieren und gleichzeitig gegen das Selbstbestimmungsgesetz zu wettern, führt nicht nur in eine Sackgasse, sondern ist sogar im hohem Maße fahrlässig. Denn gerade um junge Menschen zu schützen, braucht es ein Gesetz, das es ermöglicht, ohne unnötige Hürden und menschenunwürdige Verfahren, über die eigene Identität bestimmen und diese behördlich verankern zu können.“