Selbstbestimmungsgesetz Ataman, Lehmann und Schwulenverein Just Gay üben erste Kritik
Heute Mittag wurde der Referentenentwurf des Selbstbestimmungsgesetzes offiziell vom Bundesfamilienministerium veröffentlicht – die Kritik am Gesetzestext reißt seitdem von unterschiedlichen Seiten nicht ab, auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, erklärte kurz darauf bereits, der Entwurf müsse an einigen Stellen verbessert werden. Zufrieden scheinen bisher einzig die beiden beteiligten Minister zu sein, Marco Buschmann (FDP) sowie Lisa Paus (Grüne). Bis Ende des Monats können Verbände und die Länder nun noch offiziell Stellung beziehen.
Gleichbehandlung oder doch Hausrecht?
Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, erklärte, dass der Gesetzentwurf überarbeitet werden müsse: „Das größte Problem sehe ich im Begründungstext des neuen Selbstbestimmungsgesetzes. Der geht an wichtigen Stellen ungewöhnlich ausschweifend auf Argumente ein, die sich gegen die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt wenden. Man könnte auch sagen, die Gesetzesbegründung lässt sich auf unsachliche Debatten aus den sozialen Medien ein. Das ist fatal. Zum Beispiel darf das Selbstbestimmungsgesetz nicht den Eindruck vermitteln, man müsse die Geschlechtsidentität von trans Menschen nicht immer so genau nehmen, etwa wenn sie Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts. Allein aufgrund der äußeren Erscheinung darf niemand pauschal ausgeschlossen werden - hier ist das AGG eindeutig und das darf nicht in Frage gestellt werden. Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetzesentwurf ist deshalb überflüssig.“
Streitfall Schutzraum bleibt bestehen
Gerade dieser Punkt gilt als besonders strittig in der Debatte. Bereits im Vorfeld war mehrfach die Kritik aufgekommen, dass die beiden beteiligten Ministerien hier nicht für Klarheit sorgen würden, sondern im Zweifelfall nur neue Streitfälle heraufbeschwören könnten. Ataman dazu: „Besonders oft wurde im öffentlichen Diskurs das Beispiel Frauensaunen bemüht. Dabei sind die meisten Saunen gemischtgeschlechtlich, ohne dass es vergleichbare Debatten um den ´Schutzraum Sauna´ geben würde. Das Szenario, Männer würden sich künftig amtlich als Frauen registrieren lassen, um in eine Frauensauna einzudringen, ist nicht schlüssig. Auch von trans Frauen in Saunen sind keine Störungen bekannt. Trans Frauen als Gefahr darzustellen statt als schutzwürdig, ist falsch und infam.“
Selbstbestimmung, ein Chaosgesetz?
Anders sieht das die schwule Interessenorganisation Just Gay. Gründer Florian Greller dazu: „Kommt das Gesetz in dieser Form, ist es Chaos pur. Es steckt voller Widersprüche und Interpretationsmöglichkeiten. Was folgen wird, ist eine wahrscheinlich jahrelange massive Auseinandersetzung in allen gesellschaftlichen Bereichen und vor Gericht. Es ist sehr bedauerlich, dass gerade auch Justizminister Buschmann hier nicht für Klarheit sorgt. Der von seinem Haus eingebrachte Hinweis, Frauen könnten sich im Bedarfsfall über das Hausrecht absichern, widerspricht, wie auch von Frau Ataman bestätigt, dem AGG. Das schafft rechtliche Grauzonen, die viele juristische Fälle nach sich ziehen werden. Entweder weiß Buschmann nicht, was er hier tut, oder er stiehlt sich aus der Verantwortung – beides ist bedauernswert. Ob Trans-Menschen diesen Entwurf für richtig halten, darf ebenso bezweifelt werden. Am Ende ist eines sicher: Den aktuellen Problemen wird das Gesetz nicht gerecht. Und die Verlierer sind insbesondere Frauen sowie auch Homosexuelle, weil die Gefahr droht, dass sie ihre eigene Infrastruktur und die wichtigen Safe Spaces für Schwule und Lesben verlieren. Man kann den beiden Ministerien zugutehalten, dass sie versuchen, Kritiker und Befürworter des Selbstbestimmungsgesetzes vereinen zu wollen – doch das droht zu scheitern und so könnten sich die Risse in der Community am Ende noch weiter vertiefen.“