Selbstbestimmungsgesetz Diskussionen um mögliche Änderungen im Gesetzestext
An diesem Freitag sollte das geplante Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in die 2./3. Lesung und damit in die Abstimmung gehen – daraus wird offensichtlich einmal mehr nichts. Immer wieder war es im Zuge des Gesetzesvorhabens in den letzten Monaten zu Verzögerungen gekommen. Das SBGG findet sich so in dieser Woche einmal mehr nicht auf dem Tagungsplan des Bundestags, auch Vertreter der Ampel-Koalition bestätigen dies inzwischen.
Warum es erneut zu Verzögerungen kommt, ist offiziell nicht klar, offenbar gibt es aber noch keine Einigkeit bezüglich dem finalen Gesetzestext – sowohl Kritiker wie auch Befürworter fordern Nachbesserungen. Mit der erneuten Verzögerung kann das SBGG frühestens im Januar nächsten Jahres erneut im Bundestag behandelt werden.
Verfehlt das Gesetz sein Ziel?
Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* erklärte dazu: „Wir appellieren an alle Beteiligten, den Prozess nicht zu überstürzen und so lange wie notwendig miteinander über Änderungsvorschläge zu diskutieren und zu verhandeln. Ziel muss sein, ein Gesetz einzuführen, das trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen in ihren Grundrechten respektiert.”
Und Alva Träbert aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) fügt hinzu, dass der Gesetzentwurf in der zuletzt veröffentlichten Ausprägung inakzeptabel sei: „In der Gesetzesbegründung werden sowohl intergeschlechtliche als auch nicht-binäre Menschen kaum erwähnt. Und im aktuellen Entwurf unterliegen Minderjährige und Menschen mit Betreuungsstatus weiterhin einer fremdbestimmten Entscheidung – er verfehlt damit im Kern sein Ziel: Selbstbestimmung. Wir fordern Selbstbestimmung ohne Einschränkung für alle trans*, inter* und nicht-binären Menschen.”
Welche Rechte haben Jugendliche?
Gerade dieser Punkt ist dabei besonders umstritten, die Union lehnt eine Selbstbestimmung von Minderjährigen ab, noch dazu, wenn dabei die Elternrechte beschnitten oder möglicherweise ganz obsolet werden könnten – aktuell ist angedacht, dass das Familiengericht bei Jugendlichen ab 14 Jahren über einen Personenstandswechsel entscheidet, wenn die Eltern sich weigern. Befürworter indes wollen die Entscheidungsbefugnis allein und eigenmächtig Kindern und Jugendlichen zusprechen.
Die CDU/CSU befürchtet zudem, dass es bei einer reinen Personenstandänderung nicht bleibt, wie Bundestagsageordnete Susanne Hierl aus dem Rechtsausschuss erklärte: „Die größte Gefahr, die ich sehe, ist das große Ganze. Zum einen wird immer gesagt, im Selbstbestimmungsgesetz ist die Medizin nicht geregelt. Doch man wartet nicht mal ab, bis das Gesetz verabschiedet ist, und diskutiert schon jetzt die Übernahme der Kosten für medizinische und operative Behandlungen. Ich finde das unanständig.“
Kritik von FDP und schwul-lesbischen Verbänden
Kritik am Gesetz kommt auch von mehreren Frauenschutzbünden und schwul-lesbischen Vereinen sowie aus der Ampel-Fraktion selbst. Katja Adler von der FDP-Fraktion im Bundestag und Mitglied im Familienausschuss sagte: „Gesetze, die gemacht werden, die Missbrauch nicht ausschließen können, sind in meinen Augen keine guten Gesetze."
Und die Juristin und Soziologin Gunda Schumann aus dem Vorstand des Lesbischen Aktionszentrums Berlin betonte zudem: „Wir fordern im Gesetz die Beibehaltung von Gutachten. Außerdem fordern wir garantierte und angemessene Ausnahmeregelungen für Frauen. Sonst folgt die Auslöschung von Lesbenräumen, die Dezimierung von Frauenräumen und die direkte Bedrohung von Schutzräumen für Frauen.“
Ähnlich sieht das auch Florian Greller, Gründer der schwulen Rechtsvertretung Just Gay: „Auch schwule Männer sagen Nein zu einem Selbstbestimmungsgesetz. Und wir erwarten auch ein Rollback für schwule Männer. Sind wir in der Zukunft überhaupt noch berechtigt, autonom schwule Räume zu haben? Oder kann man uns dann wegen Diskriminierung verklagen? Oder kann sich da jemand einklagen?“
„Im Januar muss die Ampel liefern“
Die Linksfraktion blickt indes ein wenig skeptisch auf die erneuten Verzögerungen, erhofft sich aber letzten Endes eine Verbesserung des Gesetztextes. Die queer-politische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Vogler, sagte so gegenüber SCHWULISSIMO: „Ob die Verschiebung beim Selbstbestimmungsgesetz eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, werden wir wohl erst im neuen Jahr herausfinden. Die Anhörung im Bundestag hat gezeigt, dass es aus menschen- und verfassungsrechtlicher Sicht noch erheblichen Verbesserungsbedarf gibt. Wenn die Koalitionsabgeordneten die Weihnachtszeit produktiv nutzen, um zum Beispiel die völlig unsinnige und gefährliche Meldepflicht von Personenstandsänderungen an diverse Sicherheitsbehörden wieder zu streichen, dann würde mir die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf deutlich leichter fallen.“
Auch die Aussschüsse im Bundesrat hatten diesen Aspekt kritisiert, allerdings an anderer Stelle auch gefordert, dass es gerade für Jugendliche eine kontrollierende Stelle geben sollte, bevor diese einen juristischen Geschlechtswechsel vollziehen können. Konkret war die Rede von „geeigneten Nachweisen“, die die „Ernsthaftigkeit und Beständigkeit des bekundeten Empfindens des Geschlechts“ belegen sollten.
Vogler weiter: „Auch an anderen Stellen ist der Gesetzentwurf verfassungsrechtlich problematisch und atmet den Geist von Misstrauen gegen trans, inter und nichtbinäre Menschen oder verschlechtert sogar ihre Situation gegenüber dem TSG. Wie viele Betroffene hoffe auch ich auf ein Gesetz, das den Namen verdient. Wenn sich das Warten wenigstens in dieser Hinsicht lohnt, dann soll es auf ein paar Wochen mehr nach Jahrzehnten gesetzgeberischen Stillstands nicht ankommen. Aber im Januar muss die Ampel endlich liefern.“