Radikaler Kurs gegen Schwule Erst das Anti-Homosexuellen-Gesetz, jetzt sollen Schwule und Lesben im Irak ganz isoliert werden
Erst vor wenigen Tagen verabschiedete das irakische Parlament ein neues Anti-Homosexuellen-Gesetz, das für „Werbung“ für Homosexualität sowie für homosexuelle Handlungen selbst bis zu 15 Jahre Haft vorsieht. Die angedachte Einführung der Todesstrafe konnte wohl nur auf wirtschaftlichen Druck seitens der USA abgewendet werden. Bereits jetzt scheinen irakische Behörden aktiv zu versuchen, die letzten verbliebenen Kommunikationswege von Schwulen und Lesben im Land zu zerstören.
Lebenswichtig: Social Media im Irak
Bisher konnten Homosexuelle sich über soziale Medien wie Facebook und Instagram relativ sicher austauschen und in einem geschützten Raum in geschlossenen Gruppen anonym auch Themen rund um die eigene Sexualität besprechen. „Mit der 2018 eingeführten Instagram-Story-Funktion ‚Enge Freunde‘ wurde es für Menschen noch einfacher, sich zu vernetzen und sogar Liebe zu finden“, erzählt so der 22-jährige Student Khalid der Deutschen Welle.
Und Shalal Kado, Geschäftsführer der irakischen Menschenrechtsorganisation IraQueer, erklärt weiter: „Die sozialen Medien sind hier die wichtigste Plattform für jegliche Art der Meinungsäußerung, insbesondere für diejenigen, die keine eigenen Räume haben. Dazu gehören gefährdete Gruppen wie die LGBTI*-Community. Die sozialen Medien waren für diese Menschen die eine Möglichkeit, sich auszudrücken, sich zu vernetzen und Gemeinschaften zu bilden.“
Digitale Jagd auf Schwule und Lesben
Ähnlich wie in Ägypten bereits seit einigen Jahren bestand natürlich trotzdem auch im Irak immer die Gefahr, dass auch geschlossene Gruppen von den irakischen Behörden ausspioniert werden können – bereits Anfang dieses Jahres warnte Human Rights Watch davor. Bisher allerdings gab es dafür zumindest keine direkte rechtliche Grundlage – das ändert sich nun mit dem neuen Anti-Homosexuellen-Gesetz.
Zudem scheinen irakische Fahnder sowie auch Mitarbeiter der irakischen Kommunikations- und Medienkommission seit einigen Tagen sehr gezielt und verstärkt zu versuchen, homosexuelle Gruppen ausfindig zu machen und die beteiligten Personen zu identifizieren. Gerade das neue „Werbe-Verbot“ von Homosexualität erlaubt hier einen weitreichenden Spielraum und viel Platz für Interpretationen.
Homosexuelle wollen sich wehren
Die Angst, entdeckt zu werden, sei nicht neu, sagt Khalid: „Wir haben schon immer in Angst und im Verborgenen gelebt. Jetzt gibt es nur noch mehr Grund zur Sorge.“ Kämpferischer präsentiert sich da IraQueer, Geschäftsführer Kado erklärt so: „Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu wehren, und genau daran arbeitet die Community derzeit. Die Sicherheit hat oberste Priorität. Aber wir werden nicht aufgeben. Das ist keine Option.“
Dabei verweist er auf mehrere Lynchmorde von LGBTI*-Influencern in den letzten Monaten, angestachelt vermutlich von der irakischen Regierung. „Die Geschichte zeigt uns, dass, wenn eine Gruppe ins Visier genommen wird, eine andere gefährdete Gruppe zwangsläufig die nächste sein wird. Sobald man den Tätern erlaubt, einen Schritt zu tun, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, werden sie weitere Schritte unternehmen. Irgendwann wird es zu spät sein, sie aufzuhalten.“