Queere Kandidatur beschlossen Grüne nominieren Werner Graf für Berlins Bürgermeisteramt
Im kommenden Jahr möchte Werner Graf als Spitzenkandidat der Grünen das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin übernehmen. Bei einem Parteitag im Bezirk Neukölln setzte sich der offen schwule Politiker gemeinsam mit Bettina Jarasch klar gegen interne Konkurrenz durch und erhielt rund 82 Prozent der Stimmen. Damit bilden beide ein Spitzenteam für die Wahl im September 2026. Die Entscheidung der Grünen trifft auf eine politisch aufgeheizte Stimmung in der Hauptstadt, die von gesellschaftlicher Polarisierung und gestoppten Reformprojekten geprägt ist.
Führungswechsel und Signal der Vielfalt
Graf ist seit 2021 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und seit März 2022 Co-Vorsitzender der Grünen-Fraktion. Zuvor leitete er den Berliner Landesverband der Grünen und engagierte sich als Sprecher der Grünen Jugend und als Berater von Claudia Roth. Die Nominierung von Graf, einer Person mit ausgeprägtem Engagement für Feminismus, Gleichstellung und queere Rechte, sendet ein deutliches Signal für Diversity und Antidiskriminierung in der Landespolitik. Bereits zwischen 2001 und 2014 hatte mit Klaus Wowereit (SPD) ein offen schwuler Politiker das höchste Amt im Roten Rathaus inne.
Die aktuelle Berliner Regierung aus CDU und SPD gerät nach Ansicht der Grünen zunehmend in Kritik: Der Senat von Kai Wegner wird von Graf scharf wegen des Stillstands bei der Verkehrswende, mangelndem Mieterschutz und Kürzungen im Sozial- sowie Kulturbereich kritisiert. Die Grünen setzen hier auf eine nachhaltige und sozial gerechte Stadtentwicklung, Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr sowie innovative Maßnahmen gegen die Wohnungskrise.
Politischer Kurs und gesellschaftliche Spannungen
Neben klassischen Kernthemen betonen Graf und Jarasch die Notwendigkeit, Rechtsextremismus klar entgegenzutreten und die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden. Auch kritisieren sie die seinerzeit von der CDU gestoppten Maßnahmen zur Förderung von Radverkehr und öffentlichen Verkehrsangeboten. Angesichts zuletzt schwächelnder Umfragewerte von 14 bis 16 Prozent liegen die Grünen aktuell hinter CDU und Linken zurück, bei der letzten Wahl 2023 erzielten sie 18,4 Prozent.
Aufbruch oder Status quo?
Die personelle Aufstellung der Grünen unterstreicht den Versuch, progressiven Wandel und Vielfalt in der Hauptstadt voranzutreiben. Ob das Team Graf/Jarasch im kommenden Jahr gegen Herausfordernde wie Kai Wegner und die erstarkenden Rechten überzeugen kann, bleibt offen. Die Wahl 2026 könnte so zum Gradmesser für Toleranz und Zukunftsorientierung Berlins werden – gelingt ein Politikwechsel oder bleibt das Rathaus im Griff der Konservativen?