Proteste der Familien Immer mehr Regenbogenfamilien in Italien wehren sich gegen die homophoben neuen Gesetze
Der Widerstand gegen neue Gesetze in Italien, die sich gezielt gegen Homosexuelle wenden, wächst immer mehr an – aktuell geht es dabei um neue Richtlinien, die die rechtsgerichtete Premierministerin Giorgia Meloni im März dieses Jahres festgesetzt hatte. Alle Städte und Gemeinden im Land werden darin aufgefordert, nur noch heterosexuelle biologische Eltern in die Geburtsurkunden einzutragen, Regenbogenfamilien mit gleichgeschlechtlichen Paaren fallen raus.
Homosexuelle Eltern werden zu Fremden
Nach und nach kristallisierte sich dabei offenbar in den letzten Monaten immer mehr im Land heraus, was das konkret bedeutet und wie viele Menschen davon betroffen sind. In immer mehr Familien mit zwei schwulen oder lesbischen Paaren werden die Eltern teilweise von einem Tag auf den anderen offiziell vor dem Gesetz zu Fremden für die eigenen Kinder. Das greift dabei in alle Lebensbereiche massiv ein, von alltäglichen Fragen in der Schule, jeder Art von behördlichen Genehmigungen bis hin zu Arztbesuchen.
Dabei war die Lage von homosexuellen Paaren mit Kindern bereits zuvor nicht leicht, erst 2016 hat das Land gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften überhaupt legalisiert, ein Adoptionsrecht oder künstliche Befruchtung sind auf Druck der römisch-katholischen Kirche bis heute verboten, die Leihmutterschaft im Ausland soll jetzt zeitnah ebenso untersagt werden.
Rettungsinsel Mailand
Mailand war dabei in den letzten Jahren für viele gleichgeschlechtliche Eltern zu einer Art von Rettungsinsel geworden; im Jahr 2018 hatte die Stadtverwaltung angefangen, Eltern gleichen Geschlechts in den Geburtsurkunden ihrer Kinder aufzuführen. Einige andere Regionen folgten. Das ist nun vorbei und verboten. Der homosexuellenfreundliche Bürgermeister von Mailand, Giuseppe Sala, erklärte, er habe keine andere Wahl mehr, als dem nachzukommen.
Nationale und internationale Proteste
Was folgte, waren erste vereinzelte Proteste, nun scheinen sich die betroffenen Familien in letzter Zeit allerdings immer mehr untereinander zu vernetzen und wollen die neue Gesetzeslage nicht mehr so stillschweigend akzeptieren. Auch von Seiten der Opposition wurde die Kritik zuletzt immer lauter. Alessandro Zan, ein schwuler Politiker der Demokratischen Partei, erklärte so gegenüber dem Guardian: „Diese Kinder werden per Dekret zu Waisen gemacht. Dies ist eine grausame, unmenschliche Entscheidung.“
Eine Rüge kam inzwischen auch vom Europäischen Parlament, das die italienische Regierung aufforderte, ihre Haltung zu überdenken. Die neuen Richtlinien seien ein „direkter Verstoß gegen die von der UNO festgelegten Kinderrechte“ und stellten dabei einen Teil eines „umfassenderen Angriffs gegen die LGBTI*-Community in Italien“ dar. Premierministerin Meloni macht bis heute auch gar keinen Hehl daraus, fraglich bleibt also nur, ob sie aufgrund des steigenden nationalen wie internationalen Drucks letztendlich vielleicht doch noch einknicken wird.
Juristischer Alptraum für Regenbogenfamilien
Auch juristisch ist die Sachlage für Italien dabei eine besonders schwierige, wie jetzt auch Angelo Schillaci, einer der führenden italienischen Juraprofessoren an der römischen Sapienza-Universität, feststellte: „Es ist ein Alptraum für die Eltern und auch für ihre Kinder. Der zweite der beiden Väter oder Mütter kann praktisch nichts tun, vom Arztbesuch bis zum Abholen des Kindes von der Schule, ohne die Erlaubnis des rechtlichen Elternteils. Selbst mit dieser Ermächtigung können sie allerdings zum Beispiel keine medizinischen Entscheidungen treffen, die das Leben des Kindes retten.“
Verunglückt so beispielsweise das leibliche Elternteil, ist das Kind vor dem Gesetz eine Waise, ein Mündel des Staates. Einige rechtskonservative Politiker gehen indes sogar noch weiter und fordern derzeit bei der Geburtsurkunde auch die Streichung der leiblichen Mutter, wenn diese in einer lesbischen Beziehung lebt.
Alles wurde schwieriger seit Meloni
Immer wieder kam es zuletzt deswegen auch zu Demonstrationen im Land, bei denen LGBTI*-Aktivisten Schilder mit Aufschriften trugen wie: "Wir sind Familien, keine Kriminellen". Gabriele Piazzoni von Arcigay, Italiens größter LGBTI*-Organisation, sagte: „Dieses Verbot ist eine der konkretesten Manifestationen der Wut, die die rechte Mehrheit bisher gegen LGBTI*-Personen entfesselt hat! Seit Meloni ist alles schwieriger geworden, viel schwieriger als vorher.“