Pride Month 2025 Wird der symbolische Monat immer mehr zum Marketing-Gag?
Zum Start des Juni füllen sich wieder die Straßen mit Regenbogenfarben, Unternehmen verkleiden ihre Logos in bunte Streifen und Social-Media-Kanäle präsentieren sich progressiv wie nie. Der Pride Month ist da, begleitet von der jährlichen Debatte, ob feierlicher Fortschritt oder PR-Maschine mit Glitzerfilter?
Während Konzerne weltweit auf Sichtbarkeit und Zielgruppenansprache setzen, drängt sich eine unbequeme Frage auf. Lässt sich zwischen all dem Merch und Marketing noch die ursprüngliche Botschaft erkennen? Ein Blick hinter die Kulissen eines Monats, dessen Wurzeln im Widerstand liegen.
Wie der Pride Month entstanden ist und wofür er ursprünglich stand
Im Juni 1969 kam es in der Christopher Street zu einem Wendepunkt der queeren Geschichte. Die Polizei führte erneut eine ihrer berüchtigten Razzien im „Stonewall Inn“ durch, einer Bar, die längst als sicherer Hafen für viele galt, doch diesmal blieb es nicht bei der gewohnten Schikane. Die Gäste wehrten sich, tagelang wurde demonstriert, laut, wild und voller Wut. Aus dieser Eskalation entstand eine Bewegung, die fortan nicht mehr im Verborgenen bleiben wollte, aber lautstark für Rechte und Sichtbarkeit kämpfte.
Seitdem gilt der Juni als Pride Month und erinnert jedes Jahr an den Beginn dieses Protests. Damals stand nicht das Feiern im Vordergrund, sondern das Aufbegehren gegen Unterdrückung und Ignoranz. Die Regenbogenflagge, entworfen von Gilbert Baker, entwickelte sich zu einem der wichtigsten Symbole der Community. Jede Farbe steht für einen Wert, gemeinsam ergeben sie ein Zeichen für Vielfalt, Zusammenhalt und Stolz.
Ursprünglich verstand sich der Pride Month als politisches Statement. Er diente dazu, gesellschaftliche Missstände anzuklagen, auf Diskriminierung aufmerksam zu machen und für rechtliche Gleichstellung einzustehen. Heute ist diese Botschaft noch immer notwendig, auch wenn sie inzwischen andere Formen angenommen hat.
Best-Practice oder Marketing-Fiasko
Einige Unternehmen liefern bereits Beispiele dafür, wie es richtig geht. Sie arbeiten mit queeren Aktivistinnen zusammen, unterstützen Organisationen, lassen queere Menschen selbst zu Wort kommen und gestalten ihre Pride-Kampagnen nicht nur für, sondern mit der Community. Diese Herangehensweise erzeugt Glaubwürdigkeit und Respekt.
Anders wird es, wenn Kampagnen eher den Eindruck erwecken, als sei die Regenbogenflagge einfach ein praktisches Werbemittel unter vielen. Besonders dann, wenn Produkt und Botschaft so gar nicht zusammenpassen wollen.
Wer mit bunten Pizza-Kartons wirbt oder limitierte Pride-Editionen von Erfrischungsgetränken anbietet, darf das gern tun, denn es spricht nichts dagegen, wenn auch ungewöhnliche Branchen an inklusiver Kommunikation teilnehmen. Die Frage ist nur, wie glaubwürdig das Ganze wirkt.
Über die letzten Jahre tauchen vor allem Unternehmen aus der Glücksspielbranche als Sponsoren. Wenn Anbieter wie Wildz Casino mit Pride-Botschaften aufwarten, ohne erkennbare Verbindung zur queeren Community, muss das nicht per se falsch sein, doch es bleibt ein schmaler Grat zwischen gut gemeint und gezwungen.
Entscheidend ist, ob das Marketing begleitet wird von konkretem Engagement und einer stimmigen Botschaft oder ob lediglich ein Saisontrend aufgegriffen wurde, um mitzufahren.
Aufklärung oder Ausverkauf – so hat sich der Pride Month im Laufe der Jahre verändert
Was einst mit Protestschildern begann, gleicht heute in vielen Städten einem Festival. Es gibt Musik, Bühnen, Sponsorenstände und bunte Trucks mit Firmenlogos. Aufklärungsarbeit findet weiterhin statt, doch sie teilt sich den Raum mit Marketingstrategien und regenbogenfarbenen Produktlinien.
Auf den ersten Blick mag das nach Fortschritt aussehen. Schließlich bedeutet mehr Sichtbarkeit auch mehr Präsenz in der Öffentlichkeit, doch gleichzeitig drängt sich der Verdacht auf, dass aus einer politischen Bewegung ein Verkaufsevent geworden ist. Pride wurde zum Mainstream, mit all seinen Licht- und Schattenseiten.
Besonders auffällig ist die Rolle der Unternehmen. Pizza-Lieferdienste, Streaming-Anbieter und Kosmetikmarken entdecken im Juni plötzlich ihr queeres Herz. Werbeclips zeigen diverse Liebespaare, Produktverpackungen erstrahlen in allen Farben des Regenbogens und Hashtags wie #LoveIsLove fluten die sozialen Netzwerke. Das kann positive Effekte haben, sofern es ehrlich gemeint ist.
Wenn Regenbogenfarben zur Verkaufsstrategie werden
Rainbow-Washing beschreibt ein Phänomen, das vielen längst unangenehm auffällt. Gemeint ist damit die Praxis, sich für kurze Zeit queerfreundlich zu präsentieren, ohne strukturell etwas zu verändern oder gesellschaftlich Stellung zu beziehen. Es geht um Imagepflege, nicht um tatsächliches Engagement.
Typische Beispiele dafür sind regenbogenfarbene Logos im Juni, während das restliche Jahr über kein einziger queerer Mensch in der Unternehmenskommunikation sichtbar wird. Oder Sondereditionen von Produkten, die stolz als „inklusive“ vermarktet werden, ohne dass auch nur ein Teil des Gewinns gespendet wird. Kritisch wird es vor allem dann, wenn gleichzeitig in Ländern geworben wird, in denen queere Menschen kriminalisiert werden und dort jeglicher Pride-Bezug fehlt.
Lippenbekenntnisse mit kurzer Halbwertszeit
In der queeren Community wächst das Unbehagen. Viele beobachten, wie sich Konzerne für einen Monat in glitzernde Verbündete verwandeln, danach jedoch wieder zur gewohnten Zurückhaltung übergehen und das wirkt nicht opportunistisch.
Besonders ärgerlich ist der Kontrast zwischen westlichen Märkten, in denen mit Diversity geworben wird und Ländern mit queerfeindlicher Politik, in denen dieselben Firmen ihre Farben plötzlich verlieren. Dieses taktische Schweigen wird als Doppelmoral empfunden als Anpassung an Märkte, nicht an Werte.
Doch der Anspruch geht weiter, denn es geht nicht darum, dass Unternehmen alles richtig machen. Viel wichtiger ist die Bereitschaft, dauerhaft Haltung zu zeigen. Unterstützung zeigt sich in Posts oder Produkten und in langfristigem Engagement, interner Diversität und in der Bereitschaft, auch unbequeme Themen nicht zu meiden.
Flagge zeigen reicht nicht – was Unternehmen tun sollten, um glaubwürdig zu wirken
Authentizität beginnt nicht bei der Verpackung, sondern im Inneren. Wer sich zum Pride Month positionieren möchte, sollte das ganze Jahr über entsprechende Werte vertreten. Dazu gehören klare interne Strukturen, queere Ansprechpartnerinnen, Diversity-Schulungen und ein Arbeitsumfeld, das toleriert und aktiv einbezieht.
Engagement zeigt sich auch in der Wahl der Kooperationspartner. Statt bunter Anzeigen sollten Unterstützungsprojekte für queere Initiativen im Vordergrund stehen. Wer sichtbar für Gleichberechtigung eintritt, darf nicht gleichzeitig schweigen, wenn in anderen Ländern Pride verboten oder kriminalisiert wird. Nicht zuletzt zählt auch der Umgang mit Kritik. Fehler dürfen passieren, doch sie sollten reflektiert und offen angesprochen werden.
Mehr Sichtbarkeit, weniger Botschaft?
Es lässt sich nicht leugnen, dass der Pride Month heute präsenter ist als je zuvor. Eine Kultur, die früher marginalisiert wurde, ist heute Teil des Alltags auf Plakatwänden, in Supermärkten und im Fernsehen. Diese Sichtbarkeit kann eine starke Wirkung entfalten. Sie normalisiert queere Lebensrealitäten und zeigt, dass Vielfalt mehr ist als ein Trend, doch wenn Sichtbarkeit zur Leerstelle wird, verliert der Pride Month seinen Kern. Der Ursprung war politisch, nicht dekorativ und solange es Orte gibt, an denen Pride verboten ist, bleibt die Botschaft relevant und solange Diskriminierung existiert, ist der Juni kein Monat wie jeder andere.