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Präzedenzfall in Italien?

Präzedenzfall in Italien? Die rechtspopulistische Regierung wütet über ein homo-freundliches Gerichtsurteil

ms - 22.11.2022 - 15:00 Uhr
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Das Urteil des Zivilgerichts in Rom hat durchaus Sprengkraft – ein lesbisches Paar hatte dagegen geklagt, dass im Personalausweis des eigenen Kindes die Kategorien “Mutter“ und “Vater“ eingetragen sind. Die Richter in Rom gaben den zwei Frauen recht und erklärten damit ein Stück weit auch die aktuelle Gesetzgebung Italiens fürs falsch und obsolet. Während queere Aktivisten die Entscheidung bereits als Sieg feiern, schäumen und wettern rechte Agitatoren dagegen – gerade auch aus der neuen rechtspopulistischen Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ertönen scharfe Worte. Meloni steht für ein klassisches Familienweltbild aus Vater, Mutter, Kind. Die Frage, die im Raum steht, ist dabei jene, ob das römische Zivilgericht mit seiner Entscheidung auch einen Präzedenzfall für ganz Italien geschaffen hat.

Mutter, Vater oder doch einfach Eltern?

Erst im Jahr 2019 wurde vom damaligen, rechtsextremen und homophoben Innenminister Matteo Salvini der Passus beim Personalausweis von Kindern dahingehend geändert, dass nicht mehr wie seit 2015 üblich von “Eltern“, sondern wieder von Müttern und Vätern die Rede war. Ein klares Statement gegen Regenbogenfamilien und homosexuelle Paare. Das klagende lesbische Paare hatte dabei vor Gericht die einfache Frage aufgeworfen, wie denn bei zwei Müttern eine davon offiziell im Dokument zum “Vater“ werden könne. Das Gericht bestätigte so denn auch, dass auf der Identitätskarte des Kindes der beiden Frauen künftig wieder "Elternteil 1" und "Elternteil 2" stehen müsse.

Die Richter erklärten bei der Urteilsbegründung zudem, dass ein Reisedokument, das einer Partnerin die Rolle des Vaters zuweist, obschon sie eine Frau ist, nun mal offen falsch sei und auch internationales Recht breche. Im konkreten Fall hatte die leibliche Mutter ihre Tochter durch künstliche Befruchtung bekommen, ihre Partnerin wurde die zweite Mutter durch Adoption. Beide Frauen leben in einer eingetragenen Partnerschaft.

Rechtskonservative schäumen vor Wut

Der rechte Politiker Salvini zeigte sich deutlich erzürnt über das Urteil und schrieb via Twitter: "Vater und Mutter sind die schönsten Wörter der Welt. Die sollen illegal und diskriminierend sein? Ich bin sprachlos, aber wirklich." Schmallippig erklärte bisher auch die Pressestelle der frisch gewählten, rechtspopulistischen Premierministerin Meloni, man werde die Verfügung des Gerichts genau studieren, es gebe nämlich einen Haufen bedenkenswerter bürokratischer und technischer Aspekte. Wie solle beispielsweise ein Polizist bei einer Kontrolle reagieren, wenn im Ausweis nicht sofort ersichtlich sei, wer Mutter oder Vater ist?

Dass gerade eine solche Aussage von Meloni kommt, ist insofern bemerkenswert, will sie selbst darauf besteht, mit der männlichen Form als Ministerpräsident und nicht als Ministerpräsidentin angesprochen zu werden – ob es hier auch schon zu Missverständnissen gekommen ist? Das Urteil war bereits im September gesprochen worden, wurde aber erst jetzt veröffentlicht, nachdem es auch rechtskräftig ist – die neue rechtspopulistische Regierung kann dagegen nicht mehr in Berufung gehen, sodass viele LGBTI*-Aktivisten hoffen, dass sich die Causa zu einem Präzedenzfall für ganz Italien entwickeln kann. 

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