Polizeigewalt gegen LGBTI*? „Von Diskriminierung betroffene Personen sehen oft von einer Anzeige gegen Polizeibeamte ab.“
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) fordert jetzt unabhängige Untersuchungsmechanismen für polizeiliches Handeln sowie für die, immer wieder in der Kritik stehende Polizei-Gewalt. Untersuchungen seien nach Angabe von AI “aktueller denn je“. Die Organisation bezieht sich auf diverse Zwischenfälle der letzten Monate, in denen vulnerable Gruppen wie LGBTI*-Menschen aber auch Migranten nach eigenen Angaben Opfer von Polizeigewalt geworden sein sollen. Die Vorwürfe von angenommener, unrechtmäßiger Anwendung von Gewalt durch Sicherheitskräfte müsse umfassend untersucht werden, die Menschen hätten ein Recht darauf. Dabei bezieht sich AI auch auf Vorfälle im August dieses Jahres, bei denen innerhalb einer Woche vier Menschen in Deutschland bei Polizeieinsätzen gestorben sind.
Das Verhältnis zwischen Polizei und LGBTI*-Community ist ein sehr wechselseitiges – je nach Bundesland wird mal mehr mal weniger auch von nicht angemessenem Verhalten gegenüber queeren Menschen berichtet. Fundiert sachliche Anhaltspunkte sind oftmals selten. In Berlin wird der Polizei beispielsweise eine sehr gute Zusammenarbeit mit queeren Communitys und Organisationen attestiert, in anderen Bundesländern wie Bayern teilweise nicht. Ein Aspekt, warum auch die Datenerfassung von Hassverbrechen gegenüber LGBTI*-Menschen sehr unterschiedlich vonstattengeht. Verbände wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland fordern daher seit längerem einheitliche Standards und Schulungen, um Polizisten in ganz Deutschland im Umgang mit LGBTI*-Menschen mehr zu sensibilisieren.
Amnesty International stellt dabei in allen gemeldeten Fälle die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel und ob es anderweite Möglichkeiten der Deeskalation hätte geben können. Polizeisprecher und Fachleute halten dem oft entgegen, dass Polizisten und Einsatzkräfte zumeist binnen Sekunden eine Gefahrensituation einschätzen und reagieren müssten. AI dazu: „Daher bedarf es entsprechender Schulungsmaßnahmen, welche auch regelmäßige Anti-Diskriminierungs-Trainings umfassen sollten. Gleichzeitig ist es eine rechtsstaatliche Notwendigkeit, dass bei Vorwürfen von rechtswidrigem polizeilichem Handeln unabhängig und umfassend ermittelt wird.“
Diese Untersuchungsmechanismen seien auch deswegen wichtig, weil für Betroffene und Angehörige eine unabhängige Beschwerdestelle ein sehr wichtiges Angebot darstellen würde – zudem sei es ein Menschenrecht, bei Vorwürfen von rechtswidriger staatlicher Gewalt eine unabhängige, effektive und umfassende Aufklärung und gegebenenfalls Sanktionierung zu erwarten. „Insbesondere Personen, die von Rassismus oder anderen Formen struktureller Diskriminierung betroffen sind, sehen oft von einer Anzeige gegen Polizeibeamte ab. Sie erwarten nicht, dass polizeiliche Ermittlungen gegen Polizisten erfolgsversprechend verlaufen. Tatsächlich münden nur sehr wenige Anzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt in einer Anklage. Unabhängige Mechanismen können hier einen Teil dazu beitragen, um das notwendige Vertrauen in die Polizei wiederherzustellen“, so Bea Streicher, AI-Fachreferentin für Polizei, Menschenrechte und Völkerstrafrecht. Dabei legt die Organisation Wert darauf, klarzustellen, dass die große Mehrheit der Polizeibeamten in Deutschland eine gute Arbeit leiste und zudem darauf bedacht sei, sich rechtmäßig zu verhalten. In den letzten Jahren wurden in mehreren Bundesländern Stellen für unabhängige Polizeibeauftragte eingerichtet, die bei den Landtagen angesiedelt sind – aktuell beispielsweise in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin.