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Werden arme queere Menschen schlicht vergessen?
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Notunterkunft für LGBTI*-Obdachlose Vorzeigeprojekt in Washington – eine Idee auch für Deutschland?

ms - 20.07.2022 - 10:30 Uhr

Die Regierung der Stadt Washington D.C. hat nun auf die rasant steigende Zahl von obdachlosen und armen Menschen aus der LGBTI*-Community reagiert und die landesweit erste Notunterkunft für queere Erwachsene ab 25 Jahren eröffnet. Für obdachlose queere Jugendliche gibt es in den USA bereits vereinzelt Einrichtungen, wobei die Minderjährigen oftmals aufgrund einer Ablehnung ihrer sexuellen Orientierung aus dem elterlichen Haus getrieben werden. Für erwachsene LGBTI*-Menschen existiert eine solche Unterkunft bisher nicht. Washington D.C. gehört dabei nebst Städten wie Los Angeles, San Francisco, New York, Seattle, Portland oder Chicago zu den Brennpunkten im Bereich LGBTI*-Obdachlosigkeit.

Bei der Eröffnung in diesen Tagen bezeichnete Laura Green Zeilinger, die Leiterin des zuständigen Gesundheitsministeriums, die neue Notunterkunft als Meilenstein und stellte dabei zudem explizit klar, wie überdurchschnittlich stark die LGBTI*-Community in den USA von Obdachlosigkeit betroffen ist. Aktuell gehört jeder fünfte Obdachlose in Washington D.C. zur LGBTI*-Community, keine andere Gruppe von Menschen ist stärker vertreten. Zudem dürfte das wahre Ausmaß noch deutlich größer sein, nach Auswertung der jüngsten Statistik aus DC zeigte sich, dass viele queere Menschen aus Angst vor Gewalt und Ablehnung erst gar nicht zu den bisherigen allgemeinen Notunterkünften gehen.

Die Notunterkünfte wurden in Form kleiner Apartments eingerichtet, um der Würde und dem Schutz der einzelnen Betroffenen Rechnung zu tragen. Insgesamt stehen in einem ersten Schritt 40 Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Hilfestellung endet dabei nicht mit der Vergabe von Betten, sondern greift deutlich umfassender: Obdachlose LGBTI*-Menschen sollen bei der Suche nach einem neuen Job unterstützt werden, es gibt Angebote für Beratungen im Bereich Drogen sowie Suchtprävention und zudem werden nebst Weiterbildungsangeboten auch medizinische und psychologische Betreuung angeboten. Finanziert wird die Einrichtung aus dem Fond des American Rescue Plan Acts. Ziel sei es, obdachlose queere Menschen wieder in der Gesellschaft zu integrieren und damit die Obdachlosigkeit in der Stadt zu besiegen, so Bürgermeisterin Muriel Bowser.

Ein Vorzeigeprojekt, das nach den Wünschen der Lokalpolitiker auch in anderen Teilen der USA Schule machen sollte. Oftmals wird Armut oder gar Obdachlosigkeit mit Blick auf die LGBTI*-Community nicht mitgedacht, das Klischee des stets gut verdienenden queeren Menschen trübt die Realität. Auch in Deutschland wurde in den letzten Monaten immer wieder Kritik laut, dass die Ampel-Koalition zwar viele Aspekte für LGBTI*-Menschen in den kommenden Jahren verbessern will, arme LGBTI*-Personen und soziale Not aber anscheinend dabei ganz vergessen habe, so Kathrin Vogler, die queer-politische Sprecherin der Linken: „Mein Eindruck ist, dass die Ampel in der LGBTI*-Politik sehr viel Symbolik, aber wenig Konkretes vorzuweisen hat. Die Ernennung eines Queer-Beauftragten oder die Beflaggung von Bundesgebäuden mit der Regenbogenfahne, das ist alles nicht falsch, aber unzureichend. Mir fehlt im Koalitionsvertrag der Blick auf die sozialen Folgen der Diskriminierung von queeren Menschen, die sich etwa in Problemen auf dem Arbeitsmarkt, im Job oder bei der Wohnungssuche ausdrückt.“

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