Neues Leben für Skotschilenko Die lesbische Kunstaktivistin kam beim größten Gefangenenaustausch seit dem Kalten Krieg frei
Vor wenigen Tagen Anfang August erfolgte der größte Gefangenenaustausch zwischen Russland und den USA seit dem Kalten Krieg – insgesamt wurden 26 Personen ausgetauscht. Darunter auch die lesbische Menschenrechtsaktivistin und Künstlerin Sascha Skotschilenko (34), die jetzt in Deutschland ihre Freundin Anna Subbotina heiraten möchte.
„Stoppt den Krieg“
Skotschilenko war im März 2022 festgenommen worden, weil sie im Rahmen ihrer Aktionskunst Preisschilder in einem Supermarkt in St. Petersburg mit Informationen zum Krieg in der Ukraine überklebt hatte. Auf den, als Barcodes gestalteten Stickern war so unter anderem zu lesen: „Russische Wehrpflichtige werden in die Ukraine geschickt. Der Preis für diesen Krieg ist das Leben unserer Kinder. Stoppt den Krieg.“ An anderer Stelle schrieb die heute 34-Jährige, dass Russland eine Kunsthochschule in Mariupol bombardiert habe, in die sich rund 400 Menschen geflüchtet hatten.
Eine Lesbe als Objekt des Hasses
Eine russische Rentnerin hatte die junge lesbische Aktivistin angezeigt, mittels Video-Überwachung konnte Skotschilenko überführt werden. Für die russische Regierung war die Frau gleich in zweifacher Hinsicht strafwürdig, zum einen aufgrund ihrer Kunstaktion, zum anderen schlicht deswegen, weil sie homosexuell ist. Skotschilenko wurde schlussendlich zu sieben Jahren Haft verurteilt und leidet seitdem massiv unter Schlafproblemen, außerdem wurde bei ihr eine bipolare Störung diagnostiziert.
Über einhundert Ärzte hatten sich für ihre Freilassung ausgesprochen – bis zum Gefangenenaustausch vergebens. Aus dem Gefängnis heraus schrieb die russische Künstlerin in einem Brief: „Wie sich herausstellt, verkörpere ich alles, was für Putins Regime unerträglich ist: Kreativität, Pazifismus, LGBT, psychologische Aufklärung, Feminismus, Humanismus und Liebe zu allem Hellen, Uneindeutigem und Ungewöhnlichem.“
Hochzeit in Deutschland
Gegenüber Euronews erklärte ihre Lebensgefährtin Sonia Subbotina, die aktuell in Koblenz lebt: „Ich kenne viele Partner von politischen Gefangenen. Meistens sind es Frauen, die auf ihre Männer warten. Oft heiraten sie in der Untersuchungshaftanstalt oder in der Strafkolonie. Das ist möglich und gibt ihnen das Recht auf lange Besuche, auf Telefonate, auf kurze Besuche, weil sie in den Augen der Behörden einen gewissen Status haben. Diese Möglichkeit hatten wir natürlich nie.“ In Deutschland wollen die beiden Frauen jetzt ein neues Leben beginnen und auch heiraten, wie sie nun verrieten.
Austausch mit Beigeschmack
Christian Mihr, stellvertretender Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagt dazu: „Ich bin wirklich sehr erleichtert, dass Sascha Skotschilenko und die anderen nun in Freiheit sein werden. Sie haben Unglaubliches durchgemacht. Zum Teil wurde ihnen in der Haft eine angemessene medizinische Versorgung oder der Kontakt zu ihren Angehörigen verweigert. Präsident Putin instrumentalisiert augenscheinlich Recht und Gesetz, um mit politischen Gefangenen als Faustpfand seine Interessen zu durchzusetzen. Daher hat der Austausch einen bitteren Beigeschmack. Ein Mörder und andere Verbrecher, die in einem fairen Prozess verurteilt wurden, kommen nun frei im Austausch für Menschen, die nur ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben. Der Gefangenenaustausch ist somit auch ein Schritt in Richtung Ausweitung der Straflosigkeit. Die russische Regierung könnte sich so zu weiteren politischen Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen ermutigt fühlen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.“