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Netflix verbietet Cancel Culture // © IMAGO / NurPhoto

Netflix verbietet Cancel Culture Wer mit anderen Meinungen nicht klarkommt, soll die Firma verlassen

ms - 17.05.2022 - 16:45 Uhr
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Der Streaming-Anbieter Netflix hat erstmals seit fünf Jahren seine internen Richtlinien geändert und einen neuen Abschnitt im Leitfaden der Unternehmenskultur hinzugefügt. Auslöser dafür dürften die jüngsten Streitigkeiten um den Komiker Dave Chappelle sein, der in seinem letzten Special “The Closer“ für den Streaming-Dienst auch kritisch über die trans-Community sprach. Zudem stellte er ironisch dabei klar, dass er sich zu dem „Team TERF“ zähle, also zu jenen umstrittenen Personen wie Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling, die daran festhält, dass es nur zwei Geschlechter gibt.

Chappelle spielte dabei zwar immer wieder mit Kunstgriffen wie der Übertreibung und Überspitzung, brachte aber trotzdem einen Teil der queeren Community gegen sich auf. Mehrere trans-Aktivisten demonstrierten in Amerika vor dem Firmensitz von Netflix und einige Mitarbeiter des Unternehmens wollten erzwingen, dass der Komiker ganz abgesetzt wird.

 

Dagegen sprach sich zuletzt mehrfach die Firmenleitung aus. Der Co-CEO von Netflix, Ted Sarandos, verteidigte die Entscheidung und erklärte, dass Chappelles Werk unter die künstlerische Freiheit falle. Jüngst spitzte sich trotzdem erst vor wenigen Tagen die Lage abermals zu, als der Komiker bei der Aufzeichnung eines neuen Netflix-Specials auf offener Bühne von einem jungen Mann mit einem Messer angegriffen worden war. Netflix sah sich nun wohl dazu veranlasst, den Wert künstlerischer freier Meinungsäußerung zu bestärken und fügte in dem Firmenleitfaden einen Abschnitt für den „künstlerischen Ausdruck“ hinzu. Der neue Teil in den Guidelines weist Mitarbeiter darauf hin, dass sie möglicherweise auch an Streaming-Inhalten arbeiten müssen, die ihren persönlichen Werten zuwiderlaufen.

 

„Nicht jede Person wird alles an unserem Service mögen – oder damit einverstanden sein. Wir lassen die Zuschauer entscheiden, was für sie angemessen ist, anstatt bestimmte Künstler oder Stimmen zu zensieren“, so das Statement von Netflix.

Des Weiteren schreibt das Unternehmen mit direkter Ansprache an seine Mitarbeiter: „Abhängig von deiner Rolle musst du möglicherweise an Titeln arbeiten, die du selbst für schädlich hältst. Wenn es dir schwerfällt, diese Inhaltsbreite zu unterstützen, ist Netflix möglicherweise nicht der beste Ort für dich.“ Ein Sprecher des Unternehmens stellte zudem klar, dass die neuen Richtlinien auch potenziellen neuen Mitarbeitern helfen sollen, vorab „informierte Entscheidungen darüber zu treffen, ob Netflix der richtige Arbeitgeber für sie ist.“

 

Der Streaming-Dienst hatte im ersten Quartal 2022 einen Verlust von Abonnentenzahlen hinnehmen müssen. Mehrfach wurde zuletzt darüber diskutiert, ob Netflix gerade auch deswegen finanzielle Schwierigkeiten hat, weil das Unternehmen zu viel Wert auf politisch korrekte Inhalte gelegt hatte, die dabei dem Unterhaltungswert schaden würden.

Als einer der ersten gratulierte Tech-Unternehmer Elon Musk Netflix zu diesem Schritt, der erst vor kurzem den Streaming-Anbieter noch mit folgenden Worten kritisiert hatte: „Durch den Woke-Mind-Virus kann man Netflix nicht mehr ansehen.“

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