Mpox-Gefahr in Berlin? Besteht in der Hauptstadt die Gefahr einer neuen Affenpocken-Welle?
Im Jahr 2022 infizierten sich rund 3.800 Menschen in Deutschland mit einer milden Variante der Affenpocken (Mpox), dabei handelte es sich fast durchwegs um schwule Männer. Rund die Hälfte der Fälle wurden damals in Berlin registriert. Jetzt droht eine deutlich gefährlichere Mpox-Mutation sich erneut in Europa auszubreiten – in Berlin indes ist die Finanzierung der zweifachen Schutzimpfung noch immer nicht geregelt.
Streit um Impfstoff
Seit Monaten streiten die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin sowie die gesetzlichen Krankenkassen über eine Finanzierung, der Berliner Senat hatte den Kooperationsvertrag zur Finanzierung der Mpox-Impfung mit dem Wirkstoff Jynneos eingestellt. Hintergrund für diese Entscheidung war die Zulassung des identischen Wirkstoffs Imvanex in der EU.
Der „alte“ Impfstoff ist noch immer vorhanden, wird aber aktuell nicht bezahlt. Patienten müssen im Bedarfsfall die Kosten von rund 200 Euro pro Impfung selbst bezahlen - viele scheuen anscheinend davor zurück. Ein ähnliches Debakel gab es bereits Anfang 2023 in Berlin. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (Dagnä) schlug daher bereits zum Jahreswechsel 2024 Alarm und kritisierte, Berlin riskiere als am stärksten betroffene Stadt in Deutschland ein Comeback von Mpox.
Virusmutation breitet sich schnell aus
Nun scheint die Lage erneut an Brisanz zu gewinnen, seitdem eine neue Variante, die sogenannte Klade 1, in Afrika immer weiter um sich greift – die Virusmutation ist dabei nicht nur deutlich leichter ansteckend, sondern hat auch einen massiv schwereren Krankheitsverlauf zur Folge. Die Sterblichkeitsrate bei Erwachsenen liegt derzeit bei rund fünf Prozent, bei Kindern sogar bei zehn Prozent – besonders gefährdet sind dabei auch Menschen mit HIV. Ein erster Fall in Europa wurde letzte Woche in Schweden registriert.
In Afrika breitet sich die Mutation mit beachtlicher Schnelligkeit immer weiter aus, aktuell gibt es tausende Fälle bereits in der Demokratischen Republik Kongo, Burundi, der Zentralafrikanischen Republik, Kamerun, Nigeria, Südafrika, der Republik Kongo, Liberia, Ghana, der Elfenbeinküste, Ruanda, Uganda und Kenia sowie auch in Pakistan.
Globale Notlage
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat deswegen die globale Notlage ausgerufen, die Staaten sollen sich jetzt auf eine mögliche zweite Mpox-Pandemie vorbereiten. Das deutsche Robert Koch-Institut bestätigte, dass ein erneuter Anstieg der Fallzahlen in der Bundesrepublik möglich ist, wenn auch nach aktuellem Stand nicht in dem Ausmaß wie 2022. Trotzdem rät das RKI derzeit erneut zur Zweifach-Impfung vor allem für schwule Männer mit wechselnden Sexualpartnern. Wie wirksam der aktuelle Impfstoff allerdings gegen die neue Variante ist, ist noch nicht abschließend dokumentiert.
Dringlichkeitssitzung in Berlin
Der Berliner Queer-Beauftragte Alfonso Pantisano (SPD) hat deswegen jetzt zu einer Dringlichkeitssitzung gebeten, am „Runden Tisch Mpox“ sollen zeitnah die nächsten Schritte diskutiert werden. Er wünsche sich, dass Berlin in diesem Jahr besser auf das Virus vorbereitet ist als 2022. Nach Informationen des Tagesspiegels will die Gesundheitsverwaltung in dieser Woche einen Termin für den Runden Tisch bekanntgeben.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte inzwischen, Deutschland sei gut vorbereitet auf einen erneuten Anstieg der Mpox-Fälle. Er sehe momentan „keine große Gefahr“. Der Fall in Schweden ändere nichts an dieser Risikoeinschätzung für Deutschland und Europa, weil die neue Virusvariante bislang nur in Teilen Zentralafrikas endemisch sei, also dauerhaft und gehäuft auftrete.
„Deutschland hat den ersten Ausbruch der damaligen Mpox-Variante im Jahr 2022 erfolgreich in den Griff bekommen. Wir verfolgen die Lage trotzdem weiterhin aufmerksam und sind vorbereitet, falls sich die Lage ändert", so Lauterbach gegenüber der Tagesschau. Einige Bundesländer hätten noch Impfstoffe vorrätig, der Bund verfügt aktuell über rund 117.000 Impfstoffdosen – eine Beschaffung einer neuen Charge sei derzeit nicht geplant.
EU und Großbritannien gehen von neuer Mpox-Welle aus
Etwas kritischer sehen das andere Stimmen in Europa: Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC forderte so die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, sich jetzt auf einen Anstieg der Infektionsfälle vorzubereiten. Das Auftreten von neuen „importierten Fällen“ sei „sehr wahrscheinlich“, das Risiko für die EU-Bevölkerung sei durch die rasche Ausbreitung des Virus in Afrika zudem gestiegen, so ECDC-Chefin Pamela Rendi-Wagner.
Ähnlich äußerten sich inzwischen britische Fachärzte und erklärten, dass der neue Mpox-Stamm mit „ziemlicher Sicherheit“ bereits jetzt in Großbritannien vorkomme, aber einfach noch nicht offiziell registriert worden sei. Professor Paul Hunter, Medizinprofessor an der Universität von East Anglia, erklärte gegenüber Times Radio: „Wir haben bei der Mpox-Pandemie von 2022 gesehen, dass sich das Virus, sobald es in sexuelle Netzwerke gelangt, sehr schnell in der ganzen Welt ausbreiten kann, und es ist sehr schwierig, diese Ausbreitung zu kontrollieren. Ich denke, es ist nicht überraschend, dass wir einen ersten Fall in Europa hatten, und ich denke, wir werden noch mehr sehen. Hoffentlich werden wir nicht die gleiche Sterblichkeitsrate wie in Afrika erleben, aber das wird die Zeit zeigen.“
Auch Dr. Jonas Albarnaz, ein Pockenviren-Experte am Pirbright Institut betonte, dass man nach dem Fall in Schweden sehr wachsam sein müsse, er sehe dies als „Warnruf an alle Gesundheitsbehörden.“