Mord an schwulem Mitschüler Junger US-Neonazi soll neunzehn Mal auf schwulen Mitschüler eingestochen haben
Die Anklage sowie auch die Hinterbliebenen brauchten viel Geduld: Sechs Jahre nach der Verhaftung steht jetzt endlich Samuel Woodward in Südkalifornien vor Gericht. Der Angeklagte soll im Januar 2018 seinen schwulen jüdischen 19-jährigen ehemaligen Highschool-Mitschüler Blaze Bernstein grausam ermordet haben.
Gezielter Mord an schwulem Mann?
Acht Tage, nachdem er als vermisst gemeldet worden war, war Bernstein am Anfang Januar 2018 in einem flachen Grab in einem Park in Orange County, Kalifornien, tot aufgefunden worden, nachdem starker Regen die oberste Schicht Erde abgetragen hatte. Neunzehn Mal war auf den jungen schwulen Medizinstudenten mit einem Messer eingestochen worden. Wenige Tage später konnte die Polizei bereits Samuel Woodward als möglichen Tatverdächtigen festnehmen.
Die Ermittler gehen von einem Hassverbrechen aus. Der damals 20-Jährige war Mitglied einer Neonazi-Organisation namens „Atomwaffen Division“, die offenbar gezielt schwule und jüdische Opfer für ihre Anschläge aussuchte. In den acht Monaten von 2017 bis Anfang 2018 werden aktuell fünf Morde in Verbindung mit der gewaltbereiten rechtsextremen Gruppe gebracht, auch in anderen Staaten soll die Organisation Gewaltverbrechen begangen haben, in Australien, Kanada und Großbritannien ist sie verboten.
Sexuelles Treffen im Park?
Nach Überzeugung der leitenden Ermittler hatten sich die beiden jungen Männer kurz nach Neujahr 2018 im Borrego Park in der Stadt Lake Forest in Südkalifornien getroffen. Bernstein war in den Winterferien von der Universität in Pennsylvania nach Hause gekommen und hatte den Kontakt zu seinem ehemaligen Highschool-Kollegen über Tinder wieder hergestellt. Bernstein ging offen mit seiner Homosexualität um, Woodward indes konnte offenbar nicht dazu stehen, soll aber in der Highschool bereits sexuelle Kontakte mit mehreren anderen männlichen Klassenkameraden gehabt haben.
DNA-Spuren führten den leitenden Sheriff schnell nach dem Auffinden der Leiche zu Woodward, der aus einer wohlhabenden, konservativen, katholischen Familie aus Newport Beach kommt. Zudem wurde im Zimmer von Woodward die Tatwaffe, ein Messer, mit Bernsteins Blut auf der Klinge, sowie auch Blut des Opfers im Auto von Woodward sichergestellt. Zum Tatmotiv erklärte Woodward im Verhör schließlich, sein ehemaliger Highschool-Mitschüler Bernstein habe versucht, ihn in jener Nacht im Park zu küssen, obwohl er selbst Homosexualität „ekelhaft“ finde. Woodward plädiert daher nach wie vor auf „nicht schuldig“.
Radikalisierung zum Neonazi
Eindeutig nachgewiesen werden konnte auch seine Verbindung zur Neonazi-Gruppe. Immer wieder präsentierte sich der Angeklagte als Macho in den sozialen Medien und spielte gerne Gewaltakte wie die berüchtigte Bordstein-Szene aus dem Film „American History X“ nach, bei dem ein Mann von einem Rechtsradikalen ermordet wird. Über Videospiele schloss Woodward demnach auch Freundschaft zu ersten Neofaschisten, bevor er immer tiefer in die rechtsradikale Szene abrutschte.
Im Sommer 2017 schlussendlich trainierte er mit der texanischen Zelle der Atomwaffen Division längere Zeit an Schusswaffen, posierte für Propagandafotos mit anderen militanten Neonazis und besuchte bekannte Ideologen der Gruppe. Im Herbst des gleichen Jahres zog der 20-Jährige dann zurück zu seinen Eltern und arbeitete kurzzeitig im Baugewerbe. In seinen Tagebucheinträgen aus dieser Zeit rühmt sich Woodward, über Apps wie Grindr oder Tinder schwule Männer anzuschreiben und sie „zu verarschen“.
Sechs Jahre bis zum Prozessbeginn
Der Fall sorgte in den letzten Jahren immer wieder auch deswegen für Schlagzeilen, weil ein Prozessbeginn sich mehrfach nach hinten verschob. Zunächst protestieren Woodwards Anwälte gegen die Anklage, die nebst Mord auch ein Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung von Bernstein aufführte – dadurch kann ein mögliches Urteil von maximal 26 Jahren Haft auf eine lebenslange Gefängnisstrafe ausgeweitet werden. Woodwards Anwälte erklärten indes, ihr Mandant leide unter dem Asperger-Syndrom und habe Probleme mit der eigenen sexuellen Identität.
Es folgte eine festgesetzte Kautionshöhe von fünf Millionen US-Dollar, die schlussendlich wieder revidiert und durch eine Untersuchungshaft bis zum Prozessbeginn ersetzt wurde. Die Covid-19-Pandemie verzögerte zudem zuerst angedachte Gerichtstermine, bis das Strafverfahren sogar kurzzeitig vorübergehend ganz ausgesetzt worden war, da Woodwards Anwälte nun erklärten, der Tatverdächtige sei nicht verhandlungsfähig. Ein psychiatrischer Sachverständiger wurde herangezogen, der Woodward indes als verhandlungsfähig einstufte. Es kam zu weiteren Anhörungen und versuchten Verzögerungstaktiken, mehrfach wechselte der Angeklagte auch sein Verteidigungsteam, einmal bewarf er den vorsitzenden Richter mit einem Wasserglas, bis schlussendlich jetzt im Februar dieses Jahres die Auswahl der Geschworenen tatsächlich beginnen konnte – heute nun ist der Prozessauftakt inklusive der Eröffnungsplädoyers. Der Prozess ist auf drei Monate angesetzt.
Eine Welt voll Gewalt und Hass
Woodwards Anwalt, Ken Morrison vom Büro des Pflichtverteidigers des Bezirks Orange, warnte davor, seinen Mandanten vorschnell zu verurteilen, man habe in der Öffentlichkeit nur „schmutzige, grundlegend falsche Narrative“ über den Fall gelesen. Die Mutter des 19-jährigen Opfers, Jeanne Pepper Bernstein, erklärte indes: „Die Geschwister, die 13 Jahre alt waren, als das mit Blaze geschah, sind jetzt 18 - sie sind volljährig. Und ich frage mich: Sind sie bereit, in einer Welt voller Gewalt und Hass zu leben? Haben wir in den letzten fünf Jahren irgendetwas getan, um den Menschen einen Sinn für Menschlichkeit zu vermitteln? Ich denke nicht!“