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Affenpocken: Macht Union Stimmung gegen Homosexuelle? // © IMAGO / Metodi Popow
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Macht Union Stimmung gegen Homosexuelle? Sollen Homosexuelle in besonderer Weise unter Beobachtung stehen?

ms - 23.05.2022 - 10:45 Uhr

Die CDU/CSU beweist in diesen Tagen anscheinend einmal mehr, was der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel schon vor über zweihundert Jahren wusste: „Wir lernen aus der Geschichte, dass wir überhaupt nichts aus der Geschichte lernen!“

Dem Beispiel folgend betreibt die Union in diesen Tagen einmal mehr anscheinend unterbewusst Stimmung gegenüber Homosexuellen, wie sie es auch vor einigen Jahrzehnten beim Aufkommen der HIV-Pandemie getan hat. Hintergrund dieses Mal ist die Affenpocken-Infektion in Europa und den USA – seit Ende letzter Woche gibt es auch die ersten Fälle in München und Berlin.

Am Freitag bestätigte das bayerische Gesundheitsministerium, dass sich als erster Fall in Deutschland ein 26-jähriger Mann aus Brasilien damit infiziert habe, der von Portugal über Spanien nach München eingereist war. 

Während sowohl UNAIDS wie auch die Deutsche Aidshilfe vor einer Panikmache und einer Stigmatisierung von schwulen und bisexuellen Männern warnen, die aktuell größtenteils von der milde verlaufenden Infektion betroffen sind, erklärte der gesundheits­politische Sprecher der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Tino Sorge, gegenüber dem Redaktions­-Netzwerk Deutschland: „Sollte sich bestätigen, dass besonders viele Infektionen auf ungeschützte sexuelle Kontakte zurückgehen, muss gerade in exponierten Milieus auf das neue Risiko hingewiesen werden.“

Das weckt negative Erinnerungen an die CSU Anfang in den 1980iger Jahren. Damals hatte der Innenstaatssekretär Peter Gauweiler dafür gesorgt, dass das bayerische Kabinett einen bundesweit einmaligen Maßnahmenkatalog gegen Aids erlassen hatte.

Darin enthalten waren Zwangstests, notfalls mit Hilfe der Polizei, sowie Melderegister. Horst Seehofer, damals junger CSU-Abgeordneter, forderte, Aidskranke "in speziellen Heimen" zu sammeln, sie dort zu "konzentrieren". An anderer Stelle soll auch Hans Zehetmair, einst Kultusminister, gesagt haben, Homosexualität gehöre in den "Randbereich der Entartung".

Natürlich lassen sich die Aussagen und auch die zeitliche Einordnung damals nicht in das Geschehen heute direkt übertragen, doch die Nennung der “exponierten Milieus“ klingt abermals verdächtig nach einer Sonderbehandlung von homosexuellen Männern.

Letzte Woche sah sich auch das Robert-Koch-Institut harter Kritik ausgesetzt, weil sie mit ihren Warnhinweisen speziell für Schwule und Bisexuelle indirekt das Bilder der “Schwulenseuche“ abermals anheizen würde, so der Tagessiegel. Das RKI wollte dazu nicht Stellung beziehen. UNAIDS bekräftigte in einer Erklärung, dass die Krankheit durch engen Körperkontakt mit einer infizierten Person jeden treffen könne.

Die UNO-Organisation befürchtet, dass Stigmata und altbekannte Vorurteile Fakten beeinflussen und ein Kreislauf der Angst entstehen könnte.

Zum aktuellen Geschehen erklärte der Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Charité in Berlin, Leif Erik Sander, gegenüber dem Netzwerk, dass die Dynamik des aktuellen Affen­pocken-­Ausbruchs ungewöhnlich sei und  sehr ernst genommen werden müsse: „Wir beobachten bislang eine disproportionale Häufung der Affen­pocken-Infektionen unter Männern, insbesondere nach Sexualkontakt zu anderen Männern.“

Die Frage, ob nun die Nennung von Homosexuellen eher Stigmatisierung oder doch sinnvolle Warnung ist, sorgt derzeit in der LGBTI*-Community für hitzige Diskussionen. Es gilt allerdings als gesichert, dass verschiedene Gay-Events und Locations aktuell zur Verbreitung des Virus beigetragen haben, darunter eine Gay-Sauna in Madrid, ein Fetisch-Event in Antwerpen sowie der Maspalomas Pride auf der spanischen Insel Gran Canaria.

Nach aktuellem Wissenstand kann man sich durch engen Haut- oder Sexualkontakt und möglicherweise auch über Schleim­haut­-Kontakt und Tröpfchen infizieren. Die Weltgesundheits­organisation (WHO) fordert Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Affenpocken und erklärte, dass es „dringend notwendig“ sei, das Bewusstsein für die Virus­erkrankung zu erhöhen.

Das RKI und das Gesundheitsministerium gehen davon aus, dass in den kommenden Tagen weitere Fälle auch in Deutschland bekanntwerden dürften – bis jetzt haben sich rund 100 Personen in Europa sowie den USA und Kanada damit infiziert, Ursprungsort dürfte London gewesen sein.

Das Affenpocken­-Virus ruft meist milde Symptome wie Ausschlag, Fieber und Pusteln hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. Es kam in der Vergangenheit immer wieder mit Bezug auf Reisen in Risikogebiete zu vereinzelten Fällen mit Affenpocken in Europa. In der EU ist seit 2022 ein Präparat zugelassen, welches für die Behandlung von Affenpocken eingesetzt werden kann.

In den allermeisten Fällen verläuft die Erkrankung allerdings milde und klingt von alleine wieder ab.

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