Gesetzesvorhaben für die Tonne Das Ende der Antidiskriminierungsrichtlinie: Queere Verbände zwischen Verzweiflung und Kampfeslust
Kein besserer Schutz vor Diskriminierung in der Europäischen Union? Die EU-Kommission hat die geplante Antidiskriminierungsrichtlinie nun final zurückgezogen. Das höchstwahrscheinlich damit endgültige Scheitern kritisieren jetzt mit scharfen Worten mehrere queere, europäische Verbände. Auch andere Menschenrechtsorganisationen und Verbände wie der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) teilen die Kritik und sprechen von einem „verheerenden Signal für die Gleichstellung“.
Wichtiger Schutz vor Diskriminierung
Die ILGA Europe betonte nun im Bündnis mit weiteren europäischen Organisationen wie dem queeren Lobbyverein IGLYO, der Anti-Rassismus-Stelle ENAR, dem Intersexuellen-Verband OII Europe sowie auch dem trans* Verein TGEU oder auch der lesbischen Gruppe EL*C die Wichtigkeit der einst geplanten Richtlinie: „Diese Richtlinie ist eine Verpflichtung zur Bekämpfung von Diskriminierung in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens, einschließlich des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnraum und Sozialleistungen. Sie ist besonders wichtig für den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung und bildet eine Grundlage für die weitere Ausdehnung des umfassenden Schutzes auf alle von Ausgrenzung bedrohten Gruppen in allen Lebensbereichen.“
Eine lange Geschichte des Scheiterns
Die Geschichte des Gesetzentwurfes geht dabei auf das Jahr 2008 zurück, als die EU-Kommission erstmals eine Richtlinie ins Spiel brachte. Immer wieder wurde versucht, das Vorhaben umzusetzen, scheiterte aber stets, weil es keinen einstimmigen Beschluss der EU-Mitgliedsstaaten gab – nebst Italien und Tschechien blockierte vor allem auch Deutschland immer wieder das Vorhaben.
Im Kern lehnte die Bundesregierung die Gesetzesinitiative als zu weitreichend ab, gerade im Zivilrecht, und betonte, dass Antidiskriminierung auf nationalstaatlicher Ebene geregelt werden sollte. „Infolgedessen sind Millionen von Menschen nach wie vor von systembedingter Diskriminierung betroffen, und es hat sich eine Hierarchie des Schutzes herausgebildet, bei der einige Formen der Diskriminierung umfassender behandelt werden als andere“, so die Schlussfolgerung der ILGA.
Ist Gleichheit wieder verhandelbar?
Gerade in der aktuellen europäischen wie auch internationalen weltpolitischen Lage wäre ein finales Scheitern der Antidiskriminierungsrichtlinie fatal, wie das queere Bündnis überdies betonte: „Dieser Schritt erfolgt zu einer Zeit, in der rechtsextreme Kräfte in der EU und darüber hinaus an Dynamik gewinnen und eine erhebliche Bedrohung für Demokratie, Gleichberechtigung und Menschenrechte auf dem gesamten Kontinent darstellen. Anstatt entschiedene Maßnahmen zum Schutz von Gruppen zu ergreifen, die von Marginalisierung bedroht sind – darunter LGBTIQ+-Menschen – hat sich die Europäische Kommission für Untätigkeit entschieden und sendet damit die gefährliche Botschaft, dass Gleichheit verhandelbar ist. In einer Zeit, in der der Menschenrechtsschutz gestärkt werden sollte, kann sich die EU keinen Rückzug leisten.“ Mittels einer europäischen Petition, angestoßen von den EU-Bürgern, hoffen die Vereine nun, das endgültige Aus doch noch abwenden zu können.
Die Grünen-Europaabgeordnete Katrin Langensiepen zog indes bereits ein bitteres Fazit: „Menschenrechte werden hiermit per Federstrich beerdigt. Antidiskriminierung spielt im Programm von Frau von der Leyen keine Rolle mehr. Erst keine Kommissarin mehr für Gleichstellung, nun auch gleich die ganze Direktive gestrichen.“ Die Chance für eine Wiederaufnahme des Gesetzesvorhabens nach rund 17 Jahren erfolglosem Kampf dafür dürften äußerst gering sein.