LGBTI*s in Griechenland fassungslos Tausende queere Menschen demonstrieren auf Athens Straßen
Der brutale und grausame Mord an dem Drag-Künstler, Kolumnisten und prominenten Queer-Aktivisten Zak Kostopoulos erschütterte im September 2018 die ganze griechische LGBTI*-Community.
Nach der Urteilsverkündung Anfang dieser Woche macht sich jetzt große Fassungslosigkeit und Wut bei den griechischen Queers breit. Mehrere tausend queere Menschen, Aktivisten und LGBTI*-Unterstützer protestierten in einer Demonstration gegen das ungerechte Urteil auf den Straßen von Athen.
Im September 2018 flüchtete Kostopoulos vor unbekannten Angreifern am helllichten Tag im Zentrum von Athen in ein Juweliergeschäft, um sich vor dem gewalttätigen Mob zu verstecken. Nebst dem Ladenbesitzer befand sich zu diesem Zeitpunkt auch noch ein Immobilienmakler aus der Nachbarschaft im Juweliergeschäft.
Anstatt den jungen queeren Aktivisten zu schützen, gingen die beiden Männer brutal auf ihn los, bis Kostopoulos blutüberströmt und schwer verletzt am Boden lag. Aufnahmen von Überwachungskameras und Handys hielten den späteren Ablauf fest:
Als die Polizei eintraf, versuchten vier Beamte abermals gewaltsam auf den Drag-Künstler loszugehen und ihn rabiat festzunehmen. Sie legten ihm schlussendlich Handschellen an und schlugen ebenso auf ihn ein. Der 33-jährige Kostopoulos wurde dabei letztendlich so schwer verletzt, dass er vor Ort verstarb, bevor Rettungskräfte ihn ins Krankenhaus bringen konnten. Mehrere Augenzeugen sprachen von einem “Lynchmord“, mitten auf den Straßen von Athen – mehrere Schaulustige hatten während dem gesamten Verlauf zugesehen, ohne Kostopoulos zu helfen.
Der Fall schien auch deswegen klar zu sein, weil der Ablauf der Tat mehrfach filmisch festgehalten wurde und damit hinreichend dokumentiert ist. Die große Ernüchterung blieb trotzdem nicht aus – die zwei Männer im Juweliergeschäft wurden zu zehn Jahren Haft verurteilt, die ebenso, wegen tödlicher Körperverletzung, mitangeklagten vier Polizisten wurden dagegen freigesprochen. Der Juwelier darf aufgrund seines Alters von 77 Jahren seine Haftstrafe sogar zu Hause verbüßen.
Mehrere LGBTI*- und Menschenrechtsgruppen zeigten sich fassungslos, bestürzt und wütend über das Urteil des griechischen Gerichts. Die Direktorin von Amnesty International Griechenland, Glykeria Arapi, erklärte nach dem Urteilsspruch: "Die heutige Entscheidung ist ein weiteres Beispiel dafür, dass in Griechenland die Opfer unnötiger Gewaltanwendung und ihre Familien ohne Gerechtigkeit dastehen. Zak Kostopoulos wird nicht vergessen werden. Wir nehmen die Rücksichtslosigkeit seines sinnlosen Todes und die Ungerechtigkeit der heutigen Entscheidung persönlich. Als Reaktion darauf werden wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um Zaks Vision - eine Welt frei von Vorurteilen, Stigmatisierung und Rassismus - Wirklichkeit werden zu lassen."
Kostopoulos war in den letzten vier Jahren nach seiner Ermordung zu einem Symbol im Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung innerhalb der LGBTI*-Community geworden. In Griechenland hatte er sich jahrelang für LGBTI*-Menschen, HIV-Positive, queere Flüchtlinge und Sexarbeiter eingesetzt. Nach wie vor werden homosexuelle und queere Menschen im christlich-orthodox geprägten Griechenland oftmals schikaniert, angegriffen und herabgesetzt.
Anny Paparousou, die Anwältin von Kostopoulos' Familie, erklärte, dass das Urteil eine seit langem bestehende Kultur der Straflosigkeit der Polizei in Griechenland widerspiegeln würde. Der Fall habe von Anfang an nicht nur die endemische Homophobie in der griechischen Gesellschaft aufgedeckt, sondern auch eine Kultur des weit verbreiteten Missbrauchs bei der Polizei des Landes: "Der Fall steht in der Tradition der polizeilichen Gewalt, die selbst von unseren Gerichten nie geahndet wird. Während wir die Schuldsprüche begrüßen, sind wir enttäuscht und dagegen, dass die vier Beamten auf freien Fuß gesetzt wurden, obwohl wir dokumentierte Beweise für ihre Beteiligung an dem Verbrechen haben."
Paparousou schloss nicht aus, gegen das Urteil vor dem Obersten Gerichtshof Griechenlands Berufung einzulegen, noch dazu, da sich auch der vorsitzende Richter in Athen vor der Urteilsverkündung dafür ausgesprochen hatte, die Polizisten zu verurteilen – die Jury hatte dies aber mehrheitlich abgelehnt.