Lebhafte Debatte erwartet Das SBGG soll voraussichtlich heute mit den Stimmen der Ampel verabschiedet werden
Das Bundeskabinett soll heute Vormittag über das geplante neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) beraten und dieses auch möglicherweise nach Plänen der Ampel-Koalition direkt verabschieden. Aktuell ist angedacht, dass das Gesetzesvorhaben dann im November 2024 in Kraft treten soll. Einige Detailfragen zu dem Gesetzesvorhaben sowie der finale Gesetzestext wurden offiziell noch nicht vorab veröffentlicht beziehungsweise geklärt. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) wollen heute Mittag dann nach der Kabinettsitzung weitere Details bekanntgeben.
Das Gesetz im Detail
Nach den bisherigen Informationen soll mit dem neuen SBGG der Geschlechtswechsel beim Standesamt via Sprechakt mit einer dreimonatigen Bedenkzeit ermöglicht werden, aktuell noch geforderte psychologische Gutachten zur Bestätigung einer bisher nötigen Geschlechtsdysphorie sollen entfallen. Einmal im Jahr soll der Geschlechtswechsel dann grundsätzlich möglich sein. Eltern können für ihre Kinder unter 14 Jahren die Personenstandsänderung ebenso ohne eine verpflichtende medizinische Abklärung durchführen lassen; ab dem 14. Lebensjahr können Jugendliche mit Zustimmung der Eltern oder anderweitig durch das Familiengericht ebenso selbstbestimmt den juristischen Geschlechtswechsel vollziehen.
Mit dem neuen SBGG soll das über vierzig Jahre alte bisherige Transsexuellengesetz komplett abgeschafft werden. Im neuen Selbstbestimmungsgesetz soll auch ein „bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot“ in Höhe von bis zu 10.000 Euro eingeführt werden. Dieses soll greifen, wenn gegen den Willen einer Person dessen frühere Geschlechtszuordnung oder der frühere Vorname offengelegt wird.
Lebhafte Debatte erwartet
Im Vorfeld hatte Justizminister Marco Buschmann (FDP) bereits erklärt, er rechne mit einer „lebhaften Debatte“ – mehrere Aspekte des Gesetzesvorhabens stehen noch immer in der Kritik. Zum einen stoppte zuletzt das Bundesinnenministerium den weiteren Ablauf, weil die Gefahr bestehen würde, dass sich mit dem SBGG Kriminelle durch einen Geschlechtswechsel der polizeilichen Verfolgung entziehen könnten. Buschmann erklärte hier zwischenzeitlich, eine Lösung sei machbar, offizielle Details gibt es hierzu allerdings noch nicht. Nach Angaben der FAZ sollen künftig allerdings alle persönlichen Daten bei einer Geschlechtsänderung automatisch an alle relevanten Behörden weitergeleitet werden, also beispielsweise Bundeskriminalamt, Bundesverfassungsschutz, Bundespolizei oder auch das Bundesflüchtlingsamt. Sollten bisher allerdings keine relevanten Daten der Person vorliegen, sollen die übermittelten Informationen wieder gelöscht werden müssen.
Dauerfrage zu Frauenschutzräume
Ebenso in der Kritik steht noch immer die Frage nach besonderen Schutzräumen für Frauen und Mädchen. Nach heftigen Debatten übten sowohl Befürworter wie Gegner des Gesetzesvorhabens Kritik an den Plänen, nun soll der neue Gesetzestext offenbar die Position von Betreibern solcher Einrichtungen, beispielsweise von Frauensaunen, stärken und ihnen das Hausrecht und damit die Entscheidungsgewalt überlassen, ob sie im Bedarfsfall einer Trans-Frau Einlass gewähren oder nicht. Erwähnt wird insbesondere dabei auch das Vertragsrecht, welches zusätzlich für Entscheidungsfreiheit bei den Betreibern sorgen soll. Dabei stand nach wie vor die Frage im Raum, ob bei einer Verweigerung nicht auch das Anti-Diskriminierungsgesetz greife. Ob schlussendlich eine finale Formulierung alle Unklarheiten jetzt beseitigen kann, muss gegebenenfalls der Praxistext zeigen.
Umstritten in der LGBTI*-Community
Das Gesetzesvorhaben selbst wird auch innerhalb der LGBTI*-Community unterschiedlich bewertet; einigen Vereinen geht der Gesetzestext in seiner zuletzt bekannten Ausarbeitung nicht weit genug, andere, vor allem schwul-lesbische Verbände indes erklärten, dass das Vorhaben Frauen und Homosexuellen schaden könne. Insgesamt rund 50 queere Verbände hatten sich im Vorfeld im Mai dieses Jahres in Abstufungen für das Gesetz ausgesprochen, etwa 30 andere Organisationen votierten dagegen, darunter unter anderem auch mehrere schwul-lesbische Verbände und ein Verein für Trans-Menschen.
Kritik von Union, AfD und SPD
Politisch kommt Kritik vereinzelt von SPD-Politikern sowie vor allem von Seiten der Union sowie der AfD und den Freien Wählern. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärte zuletzt, das SBGG sei ein „Ideologie-Gesetz der Arroganz-Ampel“, das ganze Vorhaben sei dabei eine „Geschichte aus dem Tollhaus“. Unionskollege Christoph de Vries betonte, das Gesetz stehe im Widerspruch zum „staatlichen Schutzauftrag für junge Menschen“ und ermögliche „minderjährigen Jugendlichen einen Geschlechtswechsel gegen den Willen der Eltern.“
Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht bezeichnete das SBGG als „absurd“, die Partei selbst steht mehrheitlich nach letztem Stand allerdings zu den Gesetzesplänen. Martin Reichardt aus dem Bundesvorstand der AfD sagte, das Selbstbestimmungsgesetz sei „irrsinnig und gefährlich“, es leugne die Biologie, Kinder und Jugendliche seien dadurch „schutzlos der Trans-Lobby“ ausgeliefert. Zudem zeigte er sich verärgert über das Offenbarungsverbot, das Menschen künftig zwingen würde, die Wahrheit nicht mehr auszusprechen.