Kritik an PrEP-Situation Deutsche Aidshilfe fordert, das Potenzial der PrEP endlich auszuschöpfen!
Mit eindringlichen Worten meldet sich die Deutsche Aidshilfe (DAH) anlässlich des heute anlaufenden Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses in Bonn zu Wort: Das Potenzial der PrEP sei nach wie vor nicht ausgeschöpft. „Barrieren im System und in den Köpfen beseitigen, Lücken schließen, Zugänge schaffen!“, so die klaren Forderungen der Experten.
Wissenslücken und Vorbehalte bei der PrEP
Die Probleme im Umgang mit der PrEP sind bekannt: Massive Wissenslücken in Teilen der Gesellschaft und eine extrem schlechte Versorgungslage gerade jenseits der großen Städte. Manche Menschen sind auch noch immer der Auffassung, dass die Präventionstablette für sie nicht in Frage kommt. Im ländlichen Raum scheuen viele Ärzte bis heute die Vergabe der Pille gegen HIV, da zuvor zusätzliche Fortbildungen nötig und spezielle Anforderungen in der Praxis vor Ort verlangt werden. In vielen etablierten PrEP-Praxen indes kommt es derzeit oftmals zu langen Wartelisten.
PrEP wirkt gegen HIV
Dass die regelmäßige Einnahme der Tablette tatsächlich auch zu einer verringerten Übertragung von HIV beitragen kann, darüber sind sich die Fachleute in Deutschland in einer ersten Einschätzung sicher. Das Robert Koch-Institut sieht den Einsatz der PrEP ebenso als grundsätzlich positiv an, möchte aber zu einer finalen Aussage noch weitere Daten der kommenden Jahre abwarten – die bisherige Datenlage könnte durch die Corona-Pandemie verzerrt worden sein. Seit September 2019 ist die PrEP für Menschen mit „substanziellem IV-Risiko“ eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen – darunter zählen per Definition auch alle schwulen und bisexuellen Männer.
Selbstschutz vs. Ängste vor Nebenwirkungen
Die DAH hält in ihrem neuen Positionspapier fest, dass die PrEP nicht nur ein zuverlässiger Schutz ist, sondern für manche Menschen auch der beste oder sogar einzig praktikable Weg sei, sich vor HIV zu schützen. Die PrEP erlaube zudem, die volle Kontrolle in puncto Selbstschutz beim Sex zu bekommen. Dabei zeigten die aktuellen Daten auch: „Die PrEP ist erfolgreich und verhindert zuverlässig HIV-Infektionen. Befürchtungen, dass andere sexuell übertragbare Infektionen zunehmen könnten, haben sich nicht bewahrheitet. Die PrEP erreicht allerdings noch nicht alle Menschen, die sie benötigen oder die davon profitieren könnten. Oftmals wissen Menschen laut Evaluation nicht genug über die PrEP oder haben zum Beispiel unnötige Ängste vor Nebenwirkungen.“
Hauptsächlich schwule Männer nutzen die PrEP
Die positive Nachricht dabei: Die Nutzung der PrEP nimmt zu. Mindestens 30.000 Menschen schützen sich aktuell in Deutschland nach Angaben des RKI mit der PrEP, bisher vor allem schwule Männer. Tendenz: steigend. „Dass die Zahl der Nutzer steigt, ist eine gute Nachricht. Diesen Trend gilt es zu verstärken, indem wir alle noch offener denken und breiter über die PrEP aufklären. Die PrEP ist prinzipiell für alle Menschen mit einem HIV-Risiko geeignet. Wer sich mit der HIV-Prophylaxe schützen möchte, muss sie auch schnell und unkompliziert bekommen“, so Ulf Kristal, Vorstandsmitglied der DAH. In vielen Praxen werde die PrEP nicht-homosexuellen Männern so gar nicht erst angeboten – auch hier gelte es, umzudenken. Ähnlich sieht das auch das RKI: „Um das Potenzial der PrEP als Präventionsmethode erschließen zu können, bleibt es wichtig, allen Personen mit Bedarf PrEP zugänglich zu machen.“
Forderungen nach stärkerer PrEP-Thematisierung
So fordert die DAH mehr Aufklärung, eine breitere Thematisierung von Sexualität bei den Fachärzten, mehr direkte PrEP-Angebote an alle Teile der Gesellschaft, die Kompetenz der Gay-Community in die Arbeit mit einzubinden und eine größere Versorgungssicherheit in ganz Deutschland herzustellen. Zudem sollten auch private Krankenversicherungen die Kosten für die PrEP übernehmen und zuletzt sollte die Präventionstablette auch für Menschen ohne Aufenthaltsstatus oder Krankenversicherung sowie für Menschen in Haft zur Verfügung gestellt werden.
„Niemand darf von diesem wirkungsvollen Schutz vor HIV ausgeschlossen bleiben. Es muss einfache und ermutigende Zugänge zur PrEP geben! Das gilt ganz besonders für marginalisierte Gruppen – zum Beispiel nicht krankenversicherte Menschen, die aufgrund einer prekären Lebenssituation der Sexarbeit nachgehen“, so DAH-Vorstand Kristal abschließend.