Kritik an linken Aktivisten Machen sich linke Aktivisten zu “nützlichen Idioten“ für Putin und Co?
Der Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), Dr. Michael Schmidt-Salomon, übt jetzt in der aktuellen Jahresausgabe des hauseigenen Magazins bruno scharfe Kritik an der Denkweise von linken, sogenannten “woken“ Aktivisten wie jenen aus der queeren Community. Schmidt-Salomon hat sich seit Jahren einen Namen als Autor und Philosoph gemacht, die gbs selbst ist eine gemeinnützige Stiftung, die den evolutionären Humanismus vertritt, sich für die Aufklärung stark macht und immer wieder in den letzten Jahren auch durch intelligente Kritik gegenüber der Kirche aufgefallen Ist. Die Stiftung setzt sich seit vielen Jahren auch aktiv für die Rechte von LGBTI*-Menschen ein und unterstützte zum Beispiel im letzten Jahr erfolgreich den schwulen religionskritischen Blogger Amed Sherwan in seinem Rechtsstreit gegen Facebook und Instagram – die Social-Media-Anbieter hatten seine Profile aufgrund einer Fotoserie gesperrt, auf denen zwei küssende Männer unter anderem vor der Kaaba (das quaderförmige Gebäude im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka, das zentrale Heiligtum des Islams) zu sehen waren.
Im Jahresmagazin der Stiftung widmet sich Schmidt-Salomon nun auch dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin und zeichnet detailliert auf, wie der russische Machthaber in Zusammenarbeit mit der russisch-orthodoxen Kirche Menschenrechte gerade auch für LGBTI*-Menschen seit vielen Jahren systematisch beschneidet. Zudem erklärt Schmidt-Salomon, dass Putin selbst inzwischen offenbar an die Mär glaube, der “gottgesandte Retter des Vaterlandes“ zu sein und seine Aufgabe darin bestehe, dass “heilige russische Imperium“ zu errichten. Dabei wirft der Vorstand der gbs auch einen Blick zurück auf die “Erklärung zu den Menschenrechten“, die Putin zusammen mit dem als extremistisch und homophob bekannten Patriarchen Kyrill I. bereits 2006 verfasst hatte – bis heute nutze Putin dieses Schriftstück als Legitimation, um die systematische Verfolgung von LGBTI*-Menschen voranzutreiben. Dabei wird auch deutlich, wie Putin diverse Aktionen und Politiker von Trump bis zu Viktor Orbán immer wieder förderte, wenn sie denn nur in diese Agenda passten – auch soll viel Geld in internationale Anti-Gay-Initiativen geflossen sein.

Schmidt-Salomon dazu weiter: „Tatsächlich stellt die ´Internationale der Nationalisten´ eine ernsthafte Bedrohung für das Projekt der offenen Gesellschaft dar. Aufhalten ließen sich die Streiter für die ´geschlossene Gesellschaft´ wohl nur durch ein breites Bündnis von Demokratinnen und Demokraten – doch dies ist momentan kaum in Sicht. Maßgeblich verantwortlich dafür sind leider Vetreter*innen der ´Linken´ (…) Unfähig dazu, Bündnisse mit Gruppierungen zu schmieden, die nicht 100-prozentig ´auf Linie´ liegen, verschwenden sie ihre Kräfte darauf, andere emanzipatorische Akteure wegen kleinster Abweichungen im Sprachduktus zu bekämpfen, statt sich der eigentlichen Bedrohung zu stellen.“
Linke Identitätspolitik stärkt Herrschaftsmodelle von Putin
Aktuell sei die Lage dabei sogar noch schlimmer, diese “identitäre Linke“ würde grundlegende Denkmuster von Putin, Trump, Erdogan und anderen Despoten sogar übernehmen: „Wie die religiös-nationalistischen Despoten stellen nun auch `Linke` Gruppenidentitäten ins Zentrum der Argumentation, untergraben die universellen Menschenrechte sowie die Selbstbestimmungsrechte des Individuums. Wie die Vertreter der politischen Rechten wettern auch sie gegen Pluralismus, da sie glauben, im besitz der ´absoluten Wahrheit´ zu sein, gegen wissenschaftliche Rationalität, die als Herrschaftsideologie des ´alten weißen Mannes´ missverstanden wird und gegen jede Form der kulturellen Durchmischung, im linken Jargon als ´kulturelle Aneignung´ gebrandmarkt.“ Der Fachmann und Buchautor sieht dabei zwar durchaus das erklärte Ziel jener Aktivisten, die Stimmen von Menschen wie Homo- und Bisexuellen, Trans-Personen oder auch schwarzen Personen zu stärken, doch „die post-modernistische, identitäre Ausrichtung des Projekts schadet den Betroffenen mehr, als es ihnen nutzt. Denn jeder emanzipatorische Fortschritt der Vergangenheit wurde dadurch errungen, dass die Betroffenen an die Empathie der Mehrheitsgesellschaft appellierten und ´Gleiches Recht für Alle´ forderten – statt diesen Menschenrechts-Universalismus zu untergraben und zu behaupten, dass nur die Opfer der Unterdrückung das Wesen der Unterdrückung nachvollziehen können (…) Mit linker Identitätspolitik schwächt man rechte Identitätspolitik keineswegs, man verstärkt vielmehr die Grundprinzipien, auf denen die Herrschaftsmodelle von Putin, Trump, Erdogan und Co beruhen.“ Laut Schmidt-Salomon brauche es daher aktuell mehr denn je eine offene Gesellschaft, weg von Cancel Culture oder einer “Gedanken- oder Sprach-Polizei“. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die linke Bewegung als “nützliche Idioten“ von Putin und anderen Despoten in die Geschichte eingehen wird.