Krisenstimmung in Warschau LGBTIQ+-Menschen blicken verzweifelt auf die kommenden Jahre in Polen
Mit dem Mut der Verzweiflung demonstrierten am vergangenen Wochenende zehntausende Menschen beim CSD in Warschau – nach dem Desaster bei der Stichwahl Anfang Juni in Polen war die Stimmung extrem gedrückt, viele junge Menschen aus der Community blicken ohne Hoffnung auf ihr Land.
Bittere Niederlage für LGBTIQ+
Die ersten zwei Jahre der liberalen und queerfreundlichen Tusk-Regierung hatte der stark konservative Präsident Andrzej Duda noch alle Gesetze in puncto LGBTIQ+ blockiert, nun trat der rechtsnationalistische Karol Nawrocki für fünf Jahre seine Nachfolge an – auch er lehnt die Community strikt ab und erklärte: „Die LGBT-Community kann nicht damit rechnen, dass ich ihr Fürsprecher bin.“ Projekte wie das geplante Partnerschaftsgesetz für homosexuelle Paare dürften damit trotz eines gewonnenen Vertrauensvotums für Ministerpräsident Donald Tusk kaum umsetzbar sein. Es drohen weitere Jahre ohne Fortschritt – und im schlimmsten Fall ein erneutes Erstarken der homophoben PiS-Partei, die einst die „LGBT-freien Zonen“ in Polen maßgeblich mitbefeuert hatte.
Keine Hoffnung auf Veränderung
In Warschau feierten beim CSD jetzt zehntausende Teilenehmer bunt und laut ihren Bürgermeister Rafał Trzaskowski, der die Präsidentschaftswahlen knapp gegen Nawrocki verloren hatte. Trotzdem sind immer mehr queere Polen verzweifelt. Gegenüber der BILD-Zeitung betonten mehrere Pride-Teilnehmer ihren Frust: „Meine Hoffnung, irgendwann heiraten zu dürfen, stirbt“, so der schwule Alex. Und die lesbische Studentin Karina sagt: „In Deutschland fühlte ich mich sogar auf dem Land willkommener als zu Hause in Warschau. Es ist eine Katastrophe. Im September ziehe ich nach Rosenheim und werde Physiotherapeutin. Dort lebe ich freier.“
Die ebenso lesbische Aktivistin Magda Zawora erklärte dazu: „In Polen wird nur die biologische Mutter als Elternteil anerkannt. Die Partnerin darf mit dem Kind weder zum Arzt noch Entscheidungen treffen. Uns fehlen Rechte – und ich habe keine Hoffnung auf Veränderung.“ Das besonders Dramatische: Auch Gewalt und Hass gegen die Community werden offenbar wieder salonfähig, wie Dragqueen Konfucjana berichtete: „Weil Nawrocki offen gegen uns ist, erlebe ich auch auf der Straße wieder mehr Hass. Es heißt, ich sei eine Ideologie und kein Mensch. Nichts hat sich verändert.“