Krisenmodus PrEP Bundesgesundheitsministerium will künftige Lieferengpässe nicht ausschließen
Kommt es wirklich zu einer Entspannung bei der Versorgungsnotlage mit der HIV-Prophylaxe PrEP und ist zukünftig gesichert, dass es nicht noch einmal zu einem massiven Engpass wie in den letzten drei Monaten kommen kann? Auf Rückfrage der Links-Fraktion muss das Bundesministerium für Gesundheit jetzt eingestehen, dass es auch künftig zu einer Versorgungslücke kommen kann – das stellt sowohl für Menschen mit HIV wie auch für Personen, die die PrEP als HIV-Vorsorgeschutz einnehmen, ein großes Problem dar.
Neuer Lieferengpass nicht ausgeschlossen
Prof. Dr. Edgar Franke, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, erklärte so schriftlich, dass der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe inzwischen beschlossen hat, die PrEP-Wirkstoffkombination Emtricitabin / Tenovirdisoproxil als „versorgungskritisch“ einzustufen. Zudem wurden die pharmazeutischen Unternehmen zu einer regelmäßigen Datenübermittlung bezüglich der aktuellen Versorgungslage an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verpflichtet.
„Anhand dieser Daten kann das BfArM die künftige Versorgungssituation engmaschig beobachten, bewerten und falls erforderlich, frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen. Dennoch lässt sich ein Lieferengpass aufgrund unternehmerischer Entscheidungen oder unvorhersehbarer Störungen im Herstellungsprozess nicht vollumfänglich ausschließen“, so Franke weiter.
Gefahr von mehr HIV-Neuinfektionen
Die queer-politische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, die auch die Anfrage an das Bundesministerium initiierte, hält die Antwort der Behörde für „entlarvend“ und betont die Wichtigkeit der PrEP gerade auch als Baustein bei der HIV-Prävention. Bleibt die Versorgungslage unsicher, würden HIV-Patienten künftig zu einem Therapiewechsel gezwungen, ganz zu schweigen von der Gefahr eines möglichen Anstiegs bei den HIV-Neuinfektionen. Nicht jeder bisherige Nutzer werde in jedem Fall auf das Kondom oder andere Safer-Sex-Praktiken zurückgreifen, so Vogler.
Marktversagen bei der PrEP
„Dieses Marktversagen zeigt nicht nur an, dass der Markt mehr Regeln benötigt, sondern es ist zu überlegen, ob nicht der Staat in Kernbereichen der Pharmazie selbst zum Produzenten werden muss, um die Medikamentenversorgung für die Gesellschaft sicherzustellen. Es hört sich radikal an: Aber mehr Staat statt Markt wäre in vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung ein großer Gewinn für die Patientinnen und Patienten statt nur für die Rendite von Wenigen“, bekräftigt die queer-politische Sprecherin der Linksfraktion abschließend.
Noch keine landesweite Entspannung
Von einer generellen Entspannung bei der PrEP-Versorgung wollen einige Apotheker noch nicht sprechen. Der versprochene Nachschub von zwei Pharmafirmen aus dem Ausland soll zwar zeitnah auch landesweit erfolgen, doch offenbar gibt es noch immer viele offene Fragen, auch im Bereich der Finanzierung. Ärzte von Schwerpunktpraxen befürchten zudem, dass die unsichere Versorgungslage einen langfristigen Schaden im Einsatz gegen HIV-Neuinfektionen haben könnte.
Aktuell nutzen rund 40.000 Menschen in der Bundesrepublik die PrEP, beinahe ausnahmslos sind dies schwule und bisexuelle Männer. Vor der Krise bestand eines der Ziele darin, das Medikament auch für sexpositive heterosexuelle Menschen attraktiver zu machen, um so die Zahl der Neuinfektionen weiter absenken zu können.