Direkt zum Inhalt
Krisenmodus PrEP
Rubrik

Krisenmodus PrEP Bundesgesundheitsministerium will künftige Lieferengpässe nicht ausschließen

ms - 23.02.2024 - 13:00 Uhr

Kommt es wirklich zu einer Entspannung bei der Versorgungsnotlage mit der HIV-Prophylaxe PrEP und ist zukünftig gesichert, dass es nicht noch einmal zu einem massiven Engpass wie in den letzten drei Monaten kommen kann? Auf Rückfrage der Links-Fraktion muss das Bundesministerium für Gesundheit jetzt eingestehen, dass es auch künftig zu einer Versorgungslücke kommen kann – das stellt sowohl für Menschen mit HIV wie auch für Personen, die die PrEP als HIV-Vorsorgeschutz einnehmen, ein großes Problem dar.

Neuer Lieferengpass nicht ausgeschlossen

Prof. Dr. Edgar Franke, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, erklärte so schriftlich, dass der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe inzwischen beschlossen hat, die PrEP-Wirkstoffkombination Emtricitabin / Tenovirdisoproxil als „versorgungskritisch“ einzustufen. Zudem wurden die pharmazeutischen Unternehmen zu einer regelmäßigen Datenübermittlung bezüglich der aktuellen Versorgungslage an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verpflichtet.

„Anhand dieser Daten kann das BfArM die künftige Versorgungssituation engmaschig beobachten, bewerten und falls erforderlich, frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen. Dennoch lässt sich ein Lieferengpass aufgrund unternehmerischer Entscheidungen oder unvorhersehbarer Störungen im Herstellungsprozess nicht vollumfänglich ausschließen“, so Franke weiter.

Gefahr von mehr HIV-Neuinfektionen

Die queer-politische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, die auch die Anfrage an das Bundesministerium initiierte, hält die Antwort der Behörde für „entlarvend“ und betont die Wichtigkeit der PrEP gerade auch als Baustein bei der HIV-Prävention. Bleibt die Versorgungslage unsicher, würden HIV-Patienten künftig zu einem Therapiewechsel gezwungen, ganz zu schweigen von der Gefahr eines möglichen Anstiegs bei den HIV-Neuinfektionen. Nicht jeder bisherige Nutzer werde in jedem Fall auf das Kondom oder andere Safer-Sex-Praktiken zurückgreifen, so Vogler.   

Marktversagen bei der PrEP

„Dieses Marktversagen zeigt nicht nur an, dass der Markt mehr Regeln benötigt, sondern es ist zu überlegen, ob nicht der Staat in Kernbereichen der Pharmazie selbst zum Produzenten werden muss, um die Medikamentenversorgung für die Gesellschaft sicherzustellen. Es hört sich radikal an: Aber mehr Staat statt Markt wäre in vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung ein großer Gewinn für die Patientinnen und Patienten statt nur für die Rendite von Wenigen“, bekräftigt die queer-politische Sprecherin der Linksfraktion abschließend.  

Noch keine landesweite Entspannung

Von einer generellen Entspannung bei der PrEP-Versorgung wollen einige Apotheker noch nicht sprechen. Der versprochene Nachschub von zwei Pharmafirmen aus dem Ausland soll zwar zeitnah auch landesweit erfolgen, doch offenbar gibt es noch immer viele offene Fragen, auch im Bereich der Finanzierung. Ärzte von Schwerpunktpraxen befürchten zudem, dass die unsichere Versorgungslage einen langfristigen Schaden im Einsatz gegen HIV-Neuinfektionen haben könnte.

Aktuell nutzen rund 40.000 Menschen in der Bundesrepublik die PrEP, beinahe ausnahmslos sind dies schwule und bisexuelle Männer. Vor der Krise bestand eines der Ziele darin, das Medikament auch für sexpositive heterosexuelle Menschen attraktiver zu machen, um so die Zahl der Neuinfektionen weiter absenken zu können.

Auch Interessant

Stinkefinger für EU und USA

Uganda schließt Pakt mit Russland

Der politische Druck auf Uganda nach dem „Kill the Gays“-Gesetz seitens USA und EU ist verpufft, das Parlament schloss jetzt einen Pakt mit Russland.
Krise bei LGBTI*-Influencern

Wohin flüchten nach dem TikTok-Aus?

Krise bei LGBTI*-Influencern in den USA: Wohin flüchten nach dem vermeintlich baldigen TikTok-Aus? ist RedNote die Alternative?
Milliarden gegen Missbrauch

US-Kirche zahlte fünf Milliarden

Neue Daten zu sexuellem Missbrauch in den USA: Die meisten Opfer waren Jungs. Die US-Kirche zahlte in den letzten 20 Jahren fünf Milliarden Dollar.
Kritik an der ePA

Offener Brief an Karl Lauterbach

Verbände und Gesundheitsexperten kritisierten jetzt die Sicherheitsprobleme bei der elektronischen Patientenakte- ein Problem gerade auch für LGBTI*.
LGBTI*-Jugendarmut

Alarmierende neue Studie

Eine neue Studie ist alarmierend: Rund 875.000 LGBTI*-Menschen unter 20 Jahren ist armutsgefährdet.
Digitale Gewalt

Angriffe auf politisch Engagierte

Die Mehrheit der politisch Engagierten und Politiker erlebt in Deutschland digitale Gewalt, besonders gerne auch mit dem Hintergrund von LGBTI*.
Hassverbrechen in Berlin

Beleidigungen und Körperverletzungen

Die Gewalt gegen LGBTI* nimmt an Brutalität und Quantität in Berlin weiter zu - das bestätigte jetzt die Queer-Beauftragte der Berliner Polizei.
Tony Slattery ist tot

Schwuler Komiker stirbt mit 65 Jahren

Er war Vorbild und Hoffnungsträger für die britische Gay-Community, nun ist Tony Slattery mit 65 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben.
Brisante Gästeliste

Amtseinführung von Donald Trump

Bei der Amtseinführung von Donald Trump werden einige Anti-LGBTI*-Staatschefs dabei sein - allen voran Georgia Meloni und Victor Orban.