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Kampf um Rechte von trans-Jugendlichen in Texas beginnt // © IMAGO / ZUMA Wire

Klage gegen transfeindlichen Erlass! „Trans-Kinder aus ihren Familien zu reißen, ist skrupellos und erschreckend!“

ms - 02.03.2022 - 14:22 Uhr
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Die American Civil Liberties Union (ACLU) und Lambda Legal haben nun Klage gegen das texanische Ministerium für Familienschutz (DFPS) eingereicht.

Vorausgegangen war eine Anweisung des texanischen Gouverneurs Greg Abbott von letzter Woche, in der das Ministerium dazu aufgefordert wurde, gegen Eltern zu ermitteln, die ihren minderjährigen trans-Kindern eine geschlechtsangleichende Behandlung zukommen lassen. Der Gouverneur stützte sich dabei auch auf ein Rechtsgutachten des Generalstaatsanwaltes Ken Paxton, in dem eine solche Behandlung als "Kindesmissbrauch" bezeichnet wird. Das Ministerium hat bereits Stunden nach der Anweisung des Gouverneurs mit den ersten Ermittlungen begonnen.   

In der Klage, die gestern beim Bezirksgericht von Travis in Texas eingereicht wurde, vertreten die ACLU und Lambda eine Mitarbeiterin des Ministeriums mit ihrem Trans-Kind sowie ihrem Ehemann, die alle anonym bleiben und deswegen als „Jane, John und Mary Doe“ bezeichnet werden.

Laut der Klageschrift war in den letzten Tagen ein Ermittler bereits zum Haus der Familie gekommen und hatte medizinische Unterlagen angefordert, die die Familie nicht herausgeben wollte. Die „Does“ scheinen eine der ersten Familien zu sein, gegen die aktuell ermittelt wird.

Mit-Klägerin in dem Fall ist zudem auch Megan Mooney, eine zugelassene Psychologin, die nach texanischem Recht als meldepflichtig gilt und der Richtlinie des Gouverneurs nicht nachkommen kann, ohne ihren Patienten zu schaden und ihre berufs-ethischen Verpflichtungen zu verletzen. Sie wird in der Klage mit folgenden Worten zitiert:

"Den Klägern in dieser Klage droht ein unmittelbarer und nicht wiedergutzumachender Schaden, wenn das Gericht nicht eingreift. Insbesondere wurde Jane Doe bereits von ihrer Arbeit beurlaubt und läuft Gefahr, ihren Arbeitsplatz, ihren Lebensunterhalt und die Möglichkeit, für ihre Familie zu sorgen, zu verlieren. Jane, John und Mary Doe sehen sich mit dem drohenden und anhaltenden Entzug ihrer verfassungsmäßigen Rechte konfrontiert. Mary droht der Verlust ihrer medizinisch notwendigen Pflege, die bei abruptem Abbruch schwere körperliche und seelische Schäden verursachen kann, darunter Angstzustände, Depressionen und Selbstmordgefahr.

Wenn Jane in das Register für Kindesmissbrauch eingetragen wird, könnte sie die Möglichkeit verlieren, ihren Beruf auszuüben, und Jane und John Doe wären von der Arbeit mit Kindern ausgeschlossen, auch als Freiwillige in ihrer Gemeinde. Wenn dieses Gericht nicht eingreift, könnte Dr. Mooney von Patienten zivilrechtlich verklagt werden, weil sie sie nicht gemäß den beruflichen Standards behandelt hat, und sie könnte ihre Zulassung verlieren, weil sie ihre Berufsethik nicht beachtet hat, wenn sie den Anordnungen und Maßnahmen der Beklagten nachkommt. Wenn sie den Anordnungen der Beklagten nicht nachkommt, könnte Dr. Mooney eine sofortige strafrechtliche Verfolgung drohen."

Trans-Jugendliche und ihre Familien demonstrieren im State Capitol in Austin / Texas// © IMAGO / ZUMA Wire

Gouverneur Abbott wird in der Klage auch als Beklagter genannt und es wird zudem festgehalten, dass seine Anordnung ohne ordnungsgemäße Befugnis erlassen wurde und gegen das texanische Verwaltungsverfahrensgesetz, die Anforderungen der Gewaltenteilung der texanischen Verfassung und die verfassungsmäßigen Rechte von trans-Jugendlichen und ihren Eltern verstoßen würde. Mit der Klage wird eine einstweilige Verfügung gegen die Vollstreckung von Abbotts Anordnung beantragt.

Die Aussagen des Gouverneurs haben seit letzter Woche die Texaner gespalten – während sich Hardcore-Republikaner positiv äußerten, lehnten viele andere prominente Persönlichkeiten den Erlass strengstens ab. Auch einige texanische Staatsanwälte hatten erklärt, dass sie in diesen Fällen keine Anklagen gegen Eltern erheben werden. Adri Pérez von der ACLU:

"Keine Familie sollte befürchten müssen, auseinandergerissen zu werden, weil sie ihr transsexuelles Kind unterstützt. Eine Woche vor den Wahlen haben Gouverneur Abbott und Generalstaatsanwalt Ken Paxton einen parteipolitischen Angriff gestartet, der nicht auf den Bedürfnissen der Familien, den Erkenntnissen von Ärzten und der Expertise von Kinderschutzfachleuten beruht. Familien mit transsexuellen Kindern in Texas sind schon zu lange angegriffen worden. Die geschlechtsspezifische Gesundheitsversorgung hat mir das Leben gerettet, und andere texanische Transmenschen sollten Zugang zu medizinisch notwendiger, lebensrettender Versorgung haben."

Jurist Paul Castillo von der Mitkläger-Organisation Lambda stellt überdies fest:

"Für Gouverneur Abbott und Generalstaatsanwalt Paxton scheint es um pure Grausamkeit zu gehen. Sie schließen sich einer politisch motivierten Fehlinformationskampagne an, die keine Rücksicht auf die medizinische Wissenschaft nimmt, und sie scheinen entschlossen zu sein, Eltern zu kriminalisieren, die sich um ihre Kinder kümmern und für sie sorgen wollen, sowie zudem auch medizinische Fachkräfte, die sich an die anerkannten Standards für die Behandlung von Transgender-Jugendlichen halten. Die geschlechtsangleichende Behandlung von Geschlechtsdysphorie ist eine medizinisch notwendige Behandlung, Punktum. Diese Behandlung zu kriminalisieren und damit zu drohen, Kinder aus ihren Familien zu reißen, ist skrupellos und erschreckend und kann nicht hingenommen werden."

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