Keine Rüge für Alice Schwarzer Berichterstattung über Tessa Ganserer war nicht transphob
Der Online-Artikel der Redaktion EMMA über die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer hatte zu Beginn des Jahres für reichlich Aufsehen gesorgt und die Debatte um das geplante Selbstbestimmungsgesetz angeheizt. Tessa Ganserer ist eine von zwei trans-Frauen im neuen deutschen Bundestag und über die Frauenquote von Bündnis 90 / Die Grünen in den Bundestag gekommen. Die Redaktion der EMMA sowie Herausgeberin Alice Schwarzer kritisierten dabei, dass Ganserer sowohl biologisch wie juristisch noch ein Mann wäre, sodass sie rein formal nicht als Frau in den Bundestag hätte kommen dürfen. Dabei stellte die EMMA die Kernfrage, wie wir künftig auch mit Blick auf das neue Selbstbestimmungsgesetz Frau sein definieren wollen. Geplant ist, dass mit dem neuen Gesetz Menschen via Sprechakt ihr Geschlecht ändern lassen können.
Insgesamt 63 Beschwerden gingen nach der Berichterstattung beim Deutschen Presserat ein, vor allem auch deswegen, weil die Redaktion in Köln in ihrem Artikel mehrfach den alten männlichen Vornamen von Ganserer erwähnt hatte, das sogenannte Deadnaming. Der Deutsche Presserat hat nun diese Transphobie-Beschwerden bezüglich des Artikels zurückgewiesen. Die Begründung des Presserates: „Es handelt sich um eine zulässige journalistische Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich hochbrisanten Thema, nämlich der Frage, wie Geschlecht definiert wird. Die Erwähnung des sozialen Outings und die Beschreibung der Geschlechtsdefinition von Tessa Ganserer in ihrer Partei und im Bundestag im Artikel ist nach Auffassung der Mitglieder zulässig, um die dadurch ausgelöste politische Debatte nachvollziehen und darstellen zu können.“ Der Beschluss erfolgte einstimmig.
Zuvor hatten mehrere Organisationen die Berichterstattung scharf kritisiert, der Lesben- und Schwulenverband Deutschland sprach von einer „menschenfeindlichen Kampfansage“ und die taz wollte in dem Text „transfeindliche Gewalt“ erkannt haben. Die EMMA erklärte dazu jetzt: „Der besagte Artikel ist eine sachliche Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, wenn ein Mensch, der seinen Personenstand nach dem geltenden Transsexuellengesetz nicht geändert hat, vom Verwaltungsapparat dennoch offiziell als Mensch des anderen Geschlechts geführt wird. Uns scheint, dass es den Beschwerdeführern darum geht, eine wichtige gesellschaftliche Debatte zu verhindern und Berichterstattende, die ihren Blick auf die Problematik nicht teilen, mit dem Vorwurf der ‚Transphobie‘ einzuschüchtern und von der Berichterstattung abzuhalten. Wir sind der Ansicht, dass wir als JournalistInnen das Recht haben sollten - und auch die Pflicht haben - über Fakten zu berichten.“