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Kein drittes Geschlecht

Kein drittes Geschlecht Aber Erleichterungen für queere Schweizer geplant

ms - 18.12.2025 - 12:00 Uhr
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Die Schweizer Regierung sieht vorerst von einer rechtlichen Anerkennung eines dritten Geschlechts ab und bestätigt damit das Urteil des Schweizer Bundesgerichts in Lausanne von 2023. Stattdessen sollen allerdings gezielte Maßnahmen den Alltag von Menschen erleichtern, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau identifizieren können. 

Hohe Komplikationen bei drittem Geschlecht

In einem umfassenden Bericht zur Lebenssituation nicht-binärer Personen kommt der Bundesrat zu dem Schluss, dass das bestehende zweigeschlechtliche System in der Schweiz tief in Gesetzgebung und Verwaltung verankert ist. Nahezu alle relevanten Rechtsgrundlagen – vom Zivilrecht über die Krankenversicherung bis hin zu internationalen Reisedokumenten und Gleichstellungsvorschriften – basieren auf der Unterscheidung zwischen männlich und weiblich. Auch zahlreiche staatliche IT-Systeme seien auf dieses Modell ausgelegt. Eine grundlegende Umstellung würde erhebliche technische Anpassungen erfordern und hohe Kosten verursachen.

Zudem verweist die Regierung auf internationale Aspekte: Eine zusätzliche Geschlechtskategorie werde in vielen Ländern nicht anerkannt, was insbesondere bei Reisen, etwa in die USA, zu Schwierigkeiten führen könne. Anders als in einzelnen Nachbarstaaten sei eine entsprechende Gesetzesänderung in der Schweiz daher mittelfristig nicht vorgesehen.

Alltagsprobleme für queere Menschen

Gleichzeitig erkennt der Bundesrat allerdings an, dass nicht-binäre Menschen im Alltag häufig auf strukturelle Hürden stoßen würden. Offizielle Formulare beschränken sich meist auf zwei Geschlechter, sanitäre Anlagen sind strikt getrennt, und amtliche Dokumente lassen keine Abweichungen zu. Solche Situationen können für Betroffene belastend sein. Der Bericht hält fest, dass nicht-binäre Personen historisch oft gezwungen waren, sich einer der beiden Kategorien anzupassen. Psychische Belastungen seien in dieser Gruppe daher überdurchschnittlich verbreitet. Wörtlich heißt es: „Depressive Symptome und Suizidgedanken kommen in dieser Gruppe deutlich häufiger vor als in der Gesamtbevölkerung.“

Verbesserung der queeren Lebenssituation

Der Bericht nennt daher mehrere Ansatzpunkte: Vorgesehen ist eine Verschärfung der Regeln gegen Hassrede, insbesondere im Internet. Zudem soll der strafrechtliche Diskriminierungsschutz auf Benachteiligungen aufgrund der Geschlechtsidentität ausgeweitet werden. Die Regierung spricht sich überdies dafür aus, dass Krankenkassen Leistungen für Menschen mit Geschlechtsinkongruenz übernehmen müssen. Uneinigkeit besteht weiterhin darüber, welche medizinischen Eingriffe als notwendig gelten, insbesondere bei ästhetischen Behandlungen wie der Gesichtsfeminisierung.

Außerdem: Eine Änderung des Vornamens ohne gleichzeitige Anpassung des amtlichen Geschlechtseintrags soll vereinfacht werden und erneut wird ein landesweites Verbot von Konversionstherapien für Minderjährige ins Spiel gebracht. Mehrere Kantone haben entsprechende Regelungen bereits eingeführt, zuletzt auch Zürich. Im Alltag sei das Ziel, das Leben nicht-binärer Menschen pragmatisch zu verbessern. Wie viele Menschen in der Schweiz nicht-binär leben, lässt sich nicht exakt beziffern. Schätzungen gehen von rund 100.000 bis 154.000 Personen aus.

In Deutschland gibt es die rechtliche Möglichkeit eines dritten Geschlechtseintrags („divers“) seit Ende Dezember 2018. Dieser Eintrag wurde eingeführt, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2017 entschieden hatte, dass Menschen, die sich weder als männlich noch weiblich definieren, das Recht auf eine positive Geschlechtsbezeichnung haben.

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