Kehrtwende in Vietnam? Absage von sechs großen Pride-Paraden und Events im Land
Wohin entwickelt sich Vietnam? Das Land im südchinesischen Meer hat in den letzten Jahren mehrere positive Schritte auf die LGBTIQ+-Community zugemacht, darunter die Aufhebung des Verbots gleichgeschlechtlicher Hochzeiten, doch jetzt scheint die Regierung zurückzurudern: Binnen kurzer Zeit wurden nun sechs wichtige Pride-Paraden und queere Groß-Events in Ho-Chi-Minh-Stadt abgesagt. Die Angst ist groß, dass die Regierung nach den letzten Jahren der Entwicklung nun eine Kehrtwende in ihrer LGBTIQ+-Politik vollzogen hat. Zuletzt galt Vietnam als eines der tolerantesten Länder Asiens.
Kehrtwende in der Innenpolitik?
Besonders bedenklich: Bis heute gibt es keine Begründung, warum der Pride und die Events tatsächlich gecancelt wurden. Unklar ist auch, ob es sich bei der Entscheidung um eine lokale Aktion oder um eine neue nationale, landesweite Politik handeln könnte. Genau diese Ungewissheit verstärkt die Bedenken unter LGBTIQ+-Menschen noch weiter.
Noch dazu mehren sich auch anderweitig die Anzeichen, dass die Kommunistische Partei tatsächlich einen Politikwechsel vollzogen haben könnte, wie auch Patricia Gossman, die stellvertretende Direktorin der Asienabteilung von Human Rights Watch, gegenüber der Deutschen Welle erklärte: „Dies könnte mit internen Machtkämpfen zu tun haben, die jeden, der seine Position sichern will, davon abhalten, sich für etwas einzusetzen, das auch nur im Entferntesten als kontrovers angesehen werden könnte.“
Bevölkerung steht hinter LGBTIQ+
Im Land selbst sprechen sich indes immer mehr Menschen für die Community aus, eine Umfrage des Provincial Governance and Public Administration Performance Index im Auftrage der Vereinten Nationen zeigte zuletzt auf, dass 67 Prozent der rund einhundert Millionen Vietnamesen inzwischen die Homo-Ehe befürworten – ein Anstieg von 11 Prozentpunkten binnen zwei Jahre.
Das Land hat in den letzten zehn Jahren viele Schritte auf die Community zugetan. 2015 hob die Regierung das Verbot von gleichgeschlechtlichen Ehen auf, auch wenn es bis heute weder die Möglichkeit einer Ehe noch einer eingetragenen Partnerschaft für Schwule und Lesben gibt. Im gleichen Jahr wurde auch die Legalisierung der Geschlechtsänderung im Zivilrecht beschlossen.
2022 schließlich erklärte das vietnamesische Gesundheitsministerium offiziell, dass Homosexualität „keineswegs eine Krankheit ist“. Homosexualität müsse noch könne sie „geheilt“ werden und sie sei auch in „keiner Weise“ umwandelbar. Ein Statement, das bis heute im asiatischen Raum großen Seltenheitswert hat. Im Ranking aller LGBTIQ+-freundlichen Länder Asiens liegt Vietnam nach Thailand auf dem zweiten Platz – bleibt zu hoffen, dass sich dieser Wert nicht verschlechtert.