Direkt zum Inhalt
Kehrtwende bei Tumblr?
Rubrik

Kehrtwende bei Tumblr? Unternehmen will wieder mehr LGBTI*-Menschen an sich binden

ms - 03.11.2022 - 13:00 Uhr

Kaum zu glauben aber wahr, es gibt eine inhaltliche Kehrwende bei Tumblr. Die Blogging-Plattform lockert ihre Richtlinien, um wieder mehr queere Leute an sich zu binden. Anfang der 2010er Jahre entwickelte sich der Dienst nach und nach zur größten Plattform gerade für Homosexuelle und viele queere Menschen, darunter viele Kreative und Künstler aus den Bereichen Erotik bis Hardcore, die zu stetig steigenden Klickzahlen bei Tumblr führten. Eigentlich ein Erfolgsmodell, weswegen Yahoo im Jahr 2013 den Blogging-Platzhirsch für rund 990 Millionen US-Dollar einkaufte.

Tumblr läutete die digitale Prüderie ein

Wenige Jahre später sperrten immer mehr homophobe und LGBTI*-feindliche Länder die Plattform, darunter China, Indonesien, der Iran und Kasachstan. Hauptgründe waren dabei stets der liberale, freizügige Umgang mit LGBTI*-Themen sowie auch freizügige bis hin zu semi-pornografischen Bildern, Fotografien und Filmen von LGBTI*-Künstlern. Heute gelten diese Tage unter IT-Experten als die Kehrwende hin zu mehr Prüderie und Homophobie, die heute ganz direkt oder unterschwellig immer mehr digitale Dienste beeinflusst, darunter auch Instagram und Facebook. Der heutige Erfolg von Twitter innerhalb der Gay-Community geht ein Stück weit auch auf die Änderungen der Richtlinien von Tumblr zurück – nachdem auch der Apple App Store Ende 2018 die Tumblr-App aus dem Angebot entfernte, änderte der Blogging-Dienst zum Dezember 2018 seine Nutzungsbedingungen.

Jegliche Art von Nacktheit, auch nur teilweise, wurde größtenteils verboten und gelöscht, oftmals ohne weitere Vorwarnungen verschwanden viele tausend Tumblr-Seiten von homosexuellen und queeren Kreativen von einem Tag auf den anderen. Binnen von drei Monaten verlor Tumblr mehr als 130 Millionen User, ein Drittel aller Nutzer. Die Zahlen gingen weiter in den Keller, bis Tumblr im August 2019 schließlich an den Betreiber der Plattform WordPress erneut verkauft wurde. Yahoo verscherbelte den Blogging-Dienst für gerade einmal 20 Millionen US-Dollar, ein Verlustgeschäft von rund 970 Millionen US-Dollar.

Ein klares Ja zu Nacktheit, aber...

In der Gay-Community galt Tumblr daraufhin als tot, die letzte verbleibende Plattform, die Freizügigkeit erlaubte, war schlussendlich Twitter. Ob sich dies nun mit dem Verkauf von Twitter an Elon Musk ändern wird, bleibt abzuwarten. Bisher möchte Musk den Kurznachrichtendienst lediglich zur Plattform für “absolute Redefreiheit“ ausbauen. Vielleicht meldete sich auch deswegen Tumblr gerade jetzt zurück und erklärte nun, dass die Blogging-Website ab sofort Bilder von Nacktheit wieder zulassen werde: "Wir begrüßen nun ein breiteres Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten, Kreativität und Kunst auf Tumblr, einschließlich Inhalten, die die menschliche Form darstellen und ja, das schließt die nackte menschliche Form mit ein", so die Ankündigung. Die Seite werde jedoch weiterhin "visuelle Darstellungen sexueller Handlungen" sowie "Hass, Spam, Gewaltandrohungen oder alles Illegale" verbieten, so das Unternehmen weiter.

Ein Revival der Freizügigkeit?

Könnte langfristig Tumblr erneut zur Plattform für die LGBTI*-Community werden? Bis jetzt sperrt sich Betreiber Automattic weiterhin, die Seite wie zu früheren Zeiten ganz freizugeben, weil Kreditkartenunternehmen und App-Stores rigoros nach wie vor keine Seiten mit pornografischen Inhalten anbieten werden. Zudem sei es unmöglich, alle User auf ihre Volljährigkeit hin zu überprüfen. "Ich persönlich bin sehr liberal, was die Freigabe von Inhalten durch mündige Erwachsene angeht, und ich stimme dem Prinzip 'go nuts, show nuts' zu, aber die lockere, pornofreundliche Ära des frühen Internets ist derzeit unmöglich", so Geschäftsführer Matt Mullenweg. Für freizügige Kreative aus der LGBTI*-Community dürften so auch die neuen Tumblr-Richtlinien kein Grund zu wahrer Freude sein.  

Auch Interessant

Augen zu bei US-Hassverbrechen

Warum werden Theaterstücke zensiert?

Zensur an US-Schulen: Immer öfter wird offenbar versucht, das Theaterstück über den Mord an dem schwulen Studenten Matthew Shepard zu verhindern.
E-Zigaretten bei LGB

Trend bei Schwulen und Bisexuellen

Homo- und Bisexuelle in den USA greifen überdurchschnittlich oft zur E-Zigarette, warnen jetzt US-Experten. Die Frage ist, warum?
Rotstift bei Lambda Berlin

Queere Organisation schlägt Alarm

Das Jugendnetzwerk Lambda in Berlin schlägt Alarm: Die geplanten Kürzungen der Stadt bedrohen demnach die Existenz des Vereins für LGBTI*-Jugendliche.
Skandalfall P. Diddy

Neue Vergewaltigungsvorwürfe

Der Skandal um US-Rapper P.Diddy weitet sich aus, immer mehr Männer und Frauen berichten von äußerst brutalen Vergewaltigungen.
Adoptionsverbot in Russland

Neuer Schachzug gegen LGBTI*

Russland hat zwei neue Gesetze gegen Homosexuelle und queere Menschen auf den Weg gebracht, darunter ein Adoptionsverbot für gewisse Ausländer.
Erneuter Knockout fürs Gendern

Gendersprache bleibt unbeliebt

Erneutes Knockout fürs Gendern! Eine neue Studie zeigt: Die deutsche Mehrheit will nicht gendern, auch Frauen, Jugendliche und Grüne nicht!
Ende der Regenbogenflaggen

Hass-Prediger bejubelt Trump-Sieg

Das Ende der "Macht der homosexuellen Geister" sei da, erklärte jetzt US-Hass-Prediger Kenneth Copeland. "Nie wieder Regenbogenflaggen" mit Trump.
Grausame Zensur in Pakistan

Komplette Isolation von Schwulen

Radikal und grausam geht die Regierung von Pakistan weiter gegen Schwule vor: Jetzt sollen alle Kontaktmöglichkeiten von X bis VPN unterbunden werden.