Kardinal Marx bittet um Entschuldigung Wird sich die Kirche wirklich ändern oder bleibt es bei einem PR-Gag?
Der katholische Kardinal Marx hat sich am gestrigen Sonntag im Rahmen eines Gottesdienstes zum zwanzigjährigen Bestehen der LGBTI*-Gemeinde in der Münchner Kirche St. Paul für den Umgang mit queeren Menschen entschuldigt.
"Es ist eine Leidensgeschichte für viele Menschen", so der Erzbischof von München und Freising.
Die katholische Kirche habe vielen lesbischen und schwulen Menschen das Leben schwer gemacht. Man müsse jetzt sehen, “welche Verletzungen wir angerichtet haben.“ Alle Beziehungen, die dem "Primat der Liebe" folgten, könnten auch "von Gott angenommen werden.“ Wie schon mehrfach beteuert, erklärte Marx abermals, dass er sich eine Kirche wünsche, die andere mit einschließt – auch jene, mit denen sich die Glaubensgemeinschaft schwer tue:
„Auch ich hätte mir vor zwanzig Jahren, vielleicht auch vor fünfzehn Jahren, nicht vorstellen können, mit Ihnen hier zu sein", so Marx, der weiter beteuerte, er freue sich aber über den heutigen Termin. Vor einem finalen kurzen „Sorry“ gestand er mit Bezug auf das Denken innerhalb der Kirche ein: "Und wir meinen, wir könnten dirigieren und genau bestimmen, wer wem sagen dürfe: Ich liebe Dich."
Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" sieht in der Feier mit Kardinal Marx ein "Zeichen einer Wende zur Regenbogenpastoral." Die Bewegung schwärmt beinahe davon, dass dies eine neue und offene Haltung zur Homosexualität und zur LGBTI*-Community sei. Fürwahr waren die Aussagen des Kardinals ein erster Schritt in die richtige Richtung – viele queeren Anwesenden dankten dem Ordensträger so auch ausdrücklich für seinen Besuch und seine Wortwahl, darunter auch eine trans-Frau, die zuvor als Mönch in einem Kloster gelebt hatte, sowie ein 88-jähriger Mann, der beteuerte, er habe nicht mehr daran geglaubt, das noch erleben zu dürfen.
Bleibt die Frage offen, wie ernst es der Kardinal mit seinen Beteuerungen tatsächlich meint – bisher hatte er sich meist eher schmallippig gezeigt, wenn es um echte Reue oder Erkenntnisgewinn gegenüber den Taten der LGBTI*-Community gegangen war. Erst im Januar hatte ein Gutachten der Münchner Anwaltskanzlei Westphal, Spilker und Wastl aufgezeigt, wie verdorben das System Kirche bis zum heutigen Tag ist. Die Fachleute sprachen von rund 500 Missbrauchsfällen allein im Einzugsgebiet des Erzbistums München Freising und attestierten den Verantwortlichen bis hinauf zum emeritierten Papst Benedikt, vertuscht und verharmlost zu haben – und diese Praxis bis zum heutigen Tag weiter zu betreiben, obwohl bereits ein erstes Gutachten vor über zehn Jahren einen Wandel hätte einleiten müssen (Kommentar Schwullisimo).
Erst vor wenigen Tagen war auch ein Ex-Bischof aus Argentinien zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er mindestens zwei junge Priesteranwärter missbraucht haben soll. Das Pikante dabei: Der Verurteilte ist ein enger Freund von Papst Franziskus, der lange vor dem Urteil des Gerichts von den Taten seines Freundes wusste und diese abermals unter den Teppich gekehrt hatte. Es bleibt also abzuwarten, ob die Kirche in allen Bereichen – vom Umgang mit queeren Menschen über die Missbrauchsfälle bis hin zur Segnung für queere Paare oder der Bereitschaft, auch Frauen zu Priesterinnen auszubilden – wirklich auf dem Weg der Erneuerung ist oder ob es sich abermals wie so oft um eine nette aber am Ende wirkungslose Werbeaktion handelt.