Ist Online-Dating Privatsache? Bundesverfassungsgericht soll den Fall der Kommandeurin Biefang klären
Der Fall erregte im Sommer dieses Jahres Aufsehen: Nachdem die Trans-Kommandeurin Anastasia Biefang 2019 auf ihrem Tinder-Profil mit den Worten “Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome“ nach Sexualpartnern gesucht hatte, erteilte ihr ihr Disziplinarvorgesetzter einen Verweis. Biefang wollte diesen allerdings nicht akzeptieren und klagte – zunächst erklärte das Truppendienstgericht den Verweis ebenso für korrekt, bevor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein, für viele skandalöses Urteil fällte – das Gericht bestätigte nicht nur abermals die Abmahnung, sondern der Vorsitzende Richter Richard Häußler erklärte in der Urteilsbegründung zudem: „Wir denken, dass ein Kommandeur auch im Internet seine Worte wählen muss. Da müssen Formulierungen vermieden werden, die Zweifel an der charakterlichen Integrität wecken.“ Kritik an diesem Urteil kam von Seiten der Grünen wie von der FDP, die Union hingegen begrüßte das Urteil. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, erklärte dazu gegenüber SCHWULISSIMO: „Ganz offensichtlich gibt es da noch ganz alte homo- und transfeindliche Reflexe. Das ist in der ganzen Debatte um Anastasia Biefang noch einmal sehr deutlich geworden. Privatleben ist Privatleben und hat keine moralischen Auswirkungen auf die Art, wie man sein Amt ausführt. Ich habe mich sehr geärgert über dieses Urteil. Da gibt es offensichtlich noch Klärungsbedarf.“
Diesen Klärungsbedarf sieht auch die Trans-Soldatin selbst und erklärte jetzt gegenüber dem Spiegel, dass sie weitermachen und nun bis zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gehen wolle. Das Urteil aus Leipzig habe dabei eindeutig ihr Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt, so Biefang. Ein Kernaspekt dürfte dabei auch die Definition um die Frage sein, was der Bundeswehr insgesamt Schaden zufügen könne. Nach Paragraf 17 des Soldatengesetzes muss sich ein Soldat auch außerhalb des Dienstes so verhalten, dass er das „Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.“ Das Bundesverwaltungsgericht hatte darauf aufgebaut und weiter erklärt, dass Biefang nicht den “falschen Eindruck einer sexuellen Disziplinlosigkeit“ erwecken dürfe. Der Berliner Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte, kurz GFF, will Biefang nun in ihrem Anliegen auf Klageeinreichung vor dem höchsten deutschen Gericht unterstützen und bittet via Crowdfunding auch um finanzielle Unterstützung. Dazu hält GFF weiter fest: „Die Beschwerdeführerin Anastasia Biefang ist Vorstandsmitglied des Vereins QueerBW. Sie wehrt sich gegen die Einmischung des Dienstherrn in ihr Privatleben und gegen die Unterstellung, sie müsse ihr Online-Dating an möglichen Irrtümern und Vorurteilen ausgedachter Untergebenen orientieren.“