Direkt zum Inhalt
Grindr spricht Warnung aus!

Grindr spricht Warnung aus! Schwule Männer in Ägypten stehen unter besonderer Gefahr.

ms - 24.03.2023 - 11:00 Uhr
Loading audio player...

Der App-Dienst Grindr hat jetzt erstmals eine landesweite Gefahrenmeldung an alle schwulen und bisexuellen Männer herausgeben, die in Ägypten die Dating-Plattform nutzen. Explizit warnt das Unternehmen davor, dass derzeit verstärkt die ägyptische Polizei Jagd auf Homosexuelle macht und versucht, diese mit speziellen Methoden auszutricksen, um sie anschließend zu verhaften.

150 schwule Männer in Haft

Konkret bitten die App-Betreiber alle Nutzer um eine stark erhöhte Wachsamkeit, nachdem sich zuletzt Berichte bestätigt hatten, dass die Polizeibehörden in verdeckten Operationen gezielt schwule Männer ins Visier nehmen. Dabei sei es in den letzten Wochen und Monaten zu einem drastischen Anstieg von Verhaftungen gekommen – so sollen zuletzt über 150 schwule Männer verhaftet worden sein. Während dem Polizeigewahrsam soll es auch immer wieder zu Misshandlungen gekommen sein, schwule Männer berichteten von Schlägen und Folter. Grindr erklärte daraufhin zudem auch, dass sie das Vorgehen der Polizei scharf verurteilt und meinte zudem: „Unsere Herzen sind bei unserer Community in Ägypten!“

Verdeckte Informanten suchen gezielt nach Schwulen

Berichten zufolge hackt sich die Polizei immer wieder in Nutzerprofile auf der App ein, um an die Daten von homosexuellen Männern zu kommen.  Zudem sollen die Ermittler auch weitere Informanten angeheuert haben, die in ihrem Auftrag verschiedene Dating-Apps infiltrieren, um gezielt schwule Männer anzusprechen. Im Zentrum dieser Methoden steht die schwule Dating-App Grindr, daneben soll es aber zu ähnlichen Herangehensweisen auch auf Tinder und Bumble gekommen sein. „Grindr arbeitet mit Gruppen vor Ort zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Nutzer aktuelle Informationen haben, wie sie sicher bleiben können, und wir drängen internationale Organisationen und Regierungen dazu, mehr Gerechtigkeit und Sicherheit für die ägyptische LGBTQ-Community einzufordern", so der App-Anbieter weiter.

„Ich habe Angst, abgeschlachtet zu werden!“

Besonders perfide: Kommt es zu einem vermeintlichen Date, bei dem sich der Partner als geheimer Ermittler herausstellt, wird nicht nur die betreffende Person verhaftet, sondern im Fokus der weiteren Ermittlungen stehen dann auch alle Kontakte, die auf dem Smartphone des Verhafteten gespeichert sind. Immer wieder sollen schwule Männer auch erpresst werden, andere Homosexuelle zu verraten, um so eine mögliche Strafe abzumildern. Dabei scheinen sich die Methoden immer mehr zu radikalisieren, ein betroffener schwuler Mann erklärte gegenüber PinkNews: „Meine Freunde und ich bekamen eine Sprachnachricht, in der stand, dass 28 schwule Menschen von der Polizei verhaftet und dann gezwungen wurden, ihre Freunde anzurufen, damit sie ebenfalls verhaftet werden konnten. Vor ein paar Monaten wurde einer unserer Freunde tot aufgefunden. Ich bin überhaupt nicht mehr sicher. Ich habe Angst, wie ein Huhn abgeschlachtet zu werden! Ich verlasse mein Haus nur noch, wenn mich jemand mit dem Auto mitnimmt.“

Social-Media-Plattformen ebenso in der Kritik

Kritik kommt seitens von LGBTI*-Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch auf, die beklagen, dass nebst den schwulen Dating-Portalen auch andere digitale Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter zu wenig unternehmen würden, um schwule und bisexuelle Männer in Ägypten wirklich zu schützen. Mehrfach forderte die Organisation die ägyptischen Behörden auch auf, die internationalen und regionalen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte einzuhalten – bisher offensichtlich vergebens. „Online-Missbräuche gegen LGBT-Personen haben Offline-Folgen, die sich auf ihr gesamtes Leben auswirken und ihren Lebensunterhalt, ihre psychische Gesundheit und ihre Sicherheit beeinträchtigen können", so Rasha Younes von Human Rights Watch.

Situation in Ägypten verschlimmert sich immer mehr

Seit einigen Monaten scheint sich die Situation im Land immer weiter zu verschlimmern, erst im Februar dieses Jahres belegte die BBC zahlreiche Fälle von akuten Menschenrechtsverletzungen gegenüber schwulen Männern. Dabei scheint die Polizei inzwischen nicht nur Jagd auf Einheimische, sondern auch auf schwule und bisexuelle Touristen im Land zu machen. In Ägypten gibt es zwar kein ausdrückliches Gesetz gegen Homosexualität, aber schwule Männer werden gerne aufgrund  des Straftatbestandes der „Ausschweifung“, ursprünglich ein Gesetz gegen Sexarbeit, kriminalisiert und schlussendlich inhaftiert.

Zudem können Schwule auch inhaftiert werden, weil sie sich allein durch die Nutzung von Dating-Apps wie Grindr der „Anstiftung gegen die öffentliche Moral“ schuldig machen können. Einmal in Gewahrsam genommen, werden laut BBC viele schwule Männer solange gefoltert, bis sie jeden gewünschten Anklagepunkt gestehen. Die britische Abgeordnete Alicia Kearns, Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, hatte dazu erklärt, dass die Sexualität von Menschen in Ägypten inzwischen als Waffe gegen sie eingesetzt werde.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Nach Hakenkreuz-Skandal

AfD scheitert erneut

Der parteilose Daniel Born durfte nach dem Hakenkreuz-Eklat vor vier Monaten erneut über die Wahl von AfD-Vertreterinnen und -Vertretern abstimmen.
Rückschritt für Paare

Bruch mit Gleichbehandlungsregel

Der Gesetzesentwurf von Claudio Borghi, die Hinterbliebenenrente in zivilen Lebensgemeinschaften abzuschaffen, sorgt in Italien für große Debatten.
Kostenabwägung in der Medizin

Debatte zu Versorgungsethik

Die Frage, ob sehr alte Menschen weiterhin kostspielige Medikamente erhalten sollten, führte zu breitem Protest aus Kreisen des Patientenschutzes.
Trotz Fahndung unauffindbar

Debatte um Selbstbestimmungsgesetz

Nach zweieinhalb Monaten Fahndung bleibt Marla Svenja Liebich, die zuvor als Sven Liebich wegen Volksverhetzung verurteilt worden war, verschwunden.
Menschenrechtslage in Malawi

UN überprüft Schwulen-Verbot

Malawi in Ostafrika muss sich vor den Vereinten Nationen jetzt für die Schwulen-Verbote verantworten, die bis heute Haftstrafen von 14 Jahren vorsehen
Homo-Ehe in den USA

Der Kampf ist nicht vorbei

Der US-Supreme Court stärkte die Homo-Ehe in dieser Woche, doch christliche Hardliner betonten jetzt: Der Kampf ist noch lange nicht vorbei.
Flucht nach Argentinien

Genug von Putins Hass auf LGBTIQ+

Mehrere tausend homosexuelle und queere Russen sind 2025 nach Argentinien emigriert – ein Leben in ihrer Heimat scheint immer mehr unmöglich zu sein.