Grausamer Doppelmord? Tausende LGBTI*-Aktivisten fordern auf Mexikos Straßen lückenlose Aufklärung!
Die traurige Mordserie an LGBTI*-Menschen in Mexiko geht offenbar weiter – zuletzt war im März dieses Jahres die sogenannte “Karnevalskönigin der Diversität“ Violeta Navarrete (35) grausam ermordet worden, nun wurde wahrscheinlich auch Mexikos erster nicht-binärer Richter das Opfer von LGBTI*-feindlicher Gewalt.
Mord, Unfall oder Beziehungsdrama?
Der nicht-binäre Richter und bekannte LGBTI*-Aktivist Jesús Ociel Baena (38) wurde zusammen mit seiner Partnerin tot in seinem Haus im zentralen Bundesstaat Aguascalientes aufgefunden, wie die mexikanischen Behörden nun mitteilten. Aktuell laufen die Ermittlungen zur konkreten Todesursache noch, wobei die mexikanische Sicherheitsministerin Rosa Icela Rodriguez einen Unfall noch nicht ganz ausschließen möchte.
Für die mexikanische Presse indes ist bereits klar, dass es sich um einen weiteren Mord an einer LGBTI*-Persönlichkeit des Landes handelt, noch dazu, weil auch Baenas Partnerin tot im Haus aufgefunden worden ist – ein „doppelter Unfall“ wird daher stark bezweifelt. Möglich sei allerdings, dass es sich um eine „persönliche Angelegenheit“ gehandelt habe, sprich, das Paar sich gegenseitig ermordet haben könnte. Eine der Tatwaffen soll dabei ein „scharfer Gegenstand“ gewesen sein.
Soll der Mord verschleiert werden?
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gibt es bis jetzt keine Hinweise auf eine dritte Person am Tatort. Doch auch hier sind gerade innerhalb der LGBTI*-Community die Zweifel groß – es wäre nicht das erste Mal, dass staatliche Einrichtungen im Land einen Mord als „Verbrechen aus Leidenschaft“ verschleiern würden. Mehrere Menschenrechtsorganisationen fordern daher jetzt eine lückenlose Untersuchung von Baenas Tod.
Alejandro Brito, Direktor der LGBTI*-Rechtsgruppe Letra S, erklärte, dass Baenas Sichtbarkeit in den sozialen Medien ihn zu einer Zielscheibe gemacht habe: „Er war eine Person, die viele Hassbotschaften und sogar Gewalt- und Todesdrohungen erhalten hat, und das darf man bei diesen Ermittlungen nicht ignorieren. Als Richter durchbrach er die unsichtbaren Barrieren, die gegenüber der nicht-binären Gemeinschaft allgegenwärtig sind.“
Große Trauer in der Community
Baena sorgte mit der Ernennung zum Richter im Oktober 2022 für großes mediales Aufsehen, als er sich mit Regenbogenflagge vor dem Wahlgericht des Bundesstaates Aguascalientes vereidigen ließ und erklärte, damit Geschichte geschrieben zu haben. Baena wurde in ganz Lateinamerika für seine Arbeit zur Förderung der Rechte der LGBTI*-Gemeinschaft gefeiert. Nur wenige Wochen vor seinem Tod wurde Baena so auch vom Wahlgericht eine Urkunde überreicht, die ihn mit geschlechtsneutralen Pronomen als „Maestre“ anerkennt – auch das ein Sieg für die nicht-binäre Community des Landes.
Zu Ehren Baenas, der sowohl männliche wie weibliche Pronomen benutzte, haben tausende mexikanische LGBTI*-Aktivisten zu Beginn der Woche bereits erste Mahnwachen und Demonstrationen in Aguascalientes sowie in Mexiko-Stadt, Monterrey und weiteren Großstädten durchgeführt. Gegenüber Reuters erklärten einige Demonstranten: „Wir dürfen Ociels Tod nicht vergeblich sein lassen und müssen das Erbe, das Ociel uns hinterlassen hat, weiterführen.“
Auch unter Kollegen macht der Tod von Baena fassungslos: „Wir haben eine starke Stimme für die Gleichberechtigung und die Rechte von LGBTI*-Personen verloren“, so der ehemalige Oberste Richter des Obersten Gerichtshofs von Mexiko, Arturo Zaldivar.
120 Morde an Homosexuellen jedes Jahr
Nach Angaben der LGBTI*-Organisation Letra S kommt es jährlich zu mindestens 120 Morden an Schwulen, Lesben und Bisexuellen in Mexiko – die Dunkelziffer sei dabei höchstwahrscheinlich deutlich höher. Auffallend ist dabei auch die Brutalität der Angriffe, immer wieder wurden Opfer regelrecht massakriert. Direktor Brito betonte so zudem, dass er besorgt sei, dass der Tod von Baena nun zu weiteren Gewaltexzessen gegen LGBTI*-Menschen führen könnte. „Wenn dies ein Verbrechen war, das durch Vorurteile motiviert war, haben diese Art von Verbrechen immer die Absicht, eine Botschaft zu senden. Die Botschaft ist eine Einschüchterung, sie soll sagen: Das kann euch auch allen passieren, wenn ihr eure Identität öffentlich macht.“
In Mexiko wurden in den letzten Jahren große Fortschritte für Homosexuelle erzielt, inzwischen gibt es beispielsweise die gleichgeschlechtliche Ehe ebenso wie ein Verbot von Konversionstherapien. Auf der anderen Seite kommt es aber auch immer wieder zu brutalen, meist religiös oder homophob motivierten Angriffen auf LGBTI*-Menschen.