Gendern in Sachsen Legitimiert das Kultusministerium LGBTI*-Diskriminierung durch das Gender-Verbot?
Immer mehr Bundesländer in Deutschland haben sich, gestützt durch die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung, für ein Verbot oder strenge Regularien zum Thema Gender-Sprache an Schulen und bei Behörden ausgesprochen. Zuletzt hatten Sachsen-Anhalt für ein Verbot votiert. Der Lesben- und Schwulenverband Sachsen indes kritisiert jetzt die Verbots-Richtlinien, die das sächsische Kultusministerium erst vor kurzem noch einmal bekräftigt hatte.
Negative Schulerfahrungen wegen Gender-Verbot?
Mehr noch, der LSVD spricht sich für eine Verwendung von Genderstern und Doppelpunkt aus, so Tom Haus aus dem Vorstand des LSVD Sachsen: „Schulen sind für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen immer noch keine sicheren Orte. Die Studie ´Lebenslagen von LSBTIQ* Personen in Sachsen´ hat gezeigt, dass 42 Prozent der Befragten in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen im Schulbereich gemacht haben. Neben dem Mangel an einem offenen Klima, nötigem Schutz und Ansprechpersonen liegt das unter anderem auch am Fehlen einer geschlechtergerechten Sprache. Der Erlass zum Verbot verschärft die Situation unnötig und blendet die Lebensrealitäten von trans*, inter* und nichtbinäre Personen aus.“
Große Ablehnung der Gender-Sprache
Studien, die konkret belegen, dass eine Gender-Sprache an Schulen in Sachsen das Klima für LGBTI*-Schüler verbessern würde, gibt es indes nicht. Die große Mehrheit der Deutschen lehnt die Gender-Sprache bis heute ab, wie jüngst erst auch eine MDR-Umfrage aufzeigte. 85 Prozent der Befragten halten es demnach für richtig, an Schulen das Gendern zu verbieten – darunter sind auch 65 Prozent in der jüngsten Generation Z, die sich zu 22 Prozent selbst als LGBTI* definiert (Ipsos Studie 2023).
Warum die Gender-Sprache an der Schule nicht sinnvoll ist, begründete die junge Generation so: Die Schule dürfe nicht der Ort für politische Kontroversen werden. Zudem erschwere die Gender-Sprache das richtige Erlenen, den Lesefluss und das Leseverständnis. Die deutsche Sprache dürfe dabei des Weiteren nicht „zwanghaft verändert werden“, auch nicht im vermeintlichen Auftrag der Gleichberechtigung.
LGBTI* weniger sichtbar ohne Gender-Sprache?
Der LSVD Sachsen hält indes fest, dass es bereits heute im Personenstandsrecht vier Personenstände gibt (männlich, weiblich, divers, kein Eintrag). „Männlich und weiblich sind neben trans*, nicht-binär, intergeschlechtlich und weiteren geschlechtlichen Identifikationsformen nur zwei mögliche Varianten. Die geschlechtliche Identität ist ein wichtiger Bestandteil der eigenen Persönlichkeit. Wenn wir also über geschlechtliche Vielfalt sprechen, geht es auch darum anzuerkennen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Eine geschlechtergerechtere Sprache möchte dieser Realität Rechnung tragen. Sprache war und ist immer schon ein Mittel, um gesellschaftliche Realitäten zu beschreiben – das gilt auch für die Frage der geschlechtlichen Identität. Wer in der Sprache nicht vorkommt, ist in der Gesellschaft weniger sichtbar und läuft Gefahr, marginalisiert und ausgegrenzt zu werden. Sprache ist somit auch ein Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse“, so Haus weiter.
Legitimation von Diskriminierung?
Dabei ginge es auch nicht um ein Verbot oder eine Pflicht, die Gender-Sprache zu benutzen, sondern um eine angemessene Ansprache, so Haus. An einigen Universitäten in Deutschland wird indirekt hingegen bereits die Gender-Sprache vorausgesetzt, wie mehrere Fälle der letzten Jahre dokumentierten. Weigert sich ein Student wie beispielsweise an der Universität in Kassel, zu gendern, kommt es zu Punktabzügen.
Haus wertet die Entscheidung des Freistaats Sachsen trotzdem als falschen Schritt und betont: „Der Erlass des Kultusministeriums ist hier ein Rückschritt, der Diskriminierung und ausgrenzendes Verhalten legitimiert. Jedes weitere Festhalten an dieser Regelung bringt Unsicherheit und Ausgrenzung.“