Direkt zum Inhalt
Gendern in Sachsen
Rubrik

Gendern in Sachsen Legitimiert das Kultusministerium LGBTI*-Diskriminierung durch das Gender-Verbot?

ms - 24.10.2023 - 11:00 Uhr

Immer mehr Bundesländer in Deutschland haben sich, gestützt durch die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung, für ein Verbot oder strenge Regularien zum Thema Gender-Sprache an Schulen und bei Behörden ausgesprochen. Zuletzt hatten Sachsen-Anhalt für ein Verbot votiert. Der Lesben- und Schwulenverband Sachsen indes kritisiert jetzt die Verbots-Richtlinien, die das sächsische Kultusministerium erst vor kurzem noch einmal bekräftigt hatte.  

Negative Schulerfahrungen wegen Gender-Verbot?

Mehr noch, der LSVD spricht sich für eine Verwendung von Genderstern und Doppelpunkt aus, so Tom Haus aus dem Vorstand des LSVD Sachsen: „Schulen sind für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Menschen immer noch keine sicheren Orte. Die Studie ´Lebenslagen von LSBTIQ* Personen in Sachsen´ hat gezeigt, dass 42 Prozent der Befragten in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen im Schulbereich gemacht haben. Neben dem Mangel an einem offenen Klima, nötigem Schutz und Ansprechpersonen liegt das unter anderem auch am Fehlen einer geschlechtergerechten Sprache. Der Erlass zum Verbot verschärft die Situation unnötig und blendet die Lebensrealitäten von trans*, inter* und nichtbinäre Personen aus.“

Große Ablehnung der Gender-Sprache

Studien, die konkret belegen, dass eine Gender-Sprache an Schulen in Sachsen das Klima für LGBTI*-Schüler verbessern würde, gibt es indes nicht. Die große Mehrheit der Deutschen lehnt die Gender-Sprache bis heute ab, wie jüngst erst auch eine MDR-Umfrage aufzeigte. 85 Prozent der Befragten halten es demnach für richtig, an Schulen das Gendern zu verbieten – darunter sind auch 65 Prozent in der jüngsten Generation Z, die sich zu 22 Prozent selbst als LGBTI* definiert (Ipsos Studie 2023).

Warum die Gender-Sprache an der Schule nicht sinnvoll ist, begründete die junge Generation so: Die Schule dürfe nicht der Ort für politische Kontroversen werden. Zudem erschwere die Gender-Sprache das richtige Erlenen, den Lesefluss und das Leseverständnis. Die deutsche Sprache dürfe dabei des Weiteren nicht „zwanghaft verändert werden“, auch nicht im vermeintlichen Auftrag der Gleichberechtigung.

LGBTI* weniger sichtbar ohne Gender-Sprache?

Der LSVD Sachsen hält indes fest, dass es bereits heute im Personenstandsrecht vier Personenstände gibt (männlich, weiblich, divers, kein Eintrag). „Männlich und weiblich sind neben trans*, nicht-binär, intergeschlechtlich und weiteren geschlechtlichen Identifikationsformen nur zwei mögliche Varianten. Die geschlechtliche Identität ist ein wichtiger Bestandteil der eigenen Persönlichkeit. Wenn wir also über geschlechtliche Vielfalt sprechen, geht es auch darum anzuerkennen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Eine geschlechtergerechtere Sprache möchte dieser Realität Rechnung tragen. Sprache war und ist immer schon ein Mittel, um gesellschaftliche Realitäten zu beschreiben – das gilt auch für die Frage der geschlechtlichen Identität. Wer in der Sprache nicht vorkommt, ist in der Gesellschaft weniger sichtbar und läuft Gefahr, marginalisiert und ausgegrenzt zu werden. Sprache ist somit auch ein Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse“, so Haus weiter.

Legitimation von Diskriminierung?

Dabei ginge es auch nicht um ein Verbot oder eine Pflicht, die Gender-Sprache zu benutzen, sondern um eine angemessene Ansprache, so Haus. An einigen Universitäten in Deutschland wird indirekt hingegen bereits die Gender-Sprache vorausgesetzt, wie mehrere Fälle der letzten Jahre dokumentierten. Weigert sich ein Student wie beispielsweise an der Universität in Kassel, zu gendern, kommt es zu Punktabzügen.

Haus wertet die Entscheidung des Freistaats Sachsen trotzdem als falschen Schritt und betont: „Der Erlass des Kultusministeriums ist hier ein Rückschritt, der Diskriminierung und ausgrenzendes Verhalten legitimiert. Jedes weitere Festhalten an dieser Regelung bringt Unsicherheit und Ausgrenzung.“

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Ein Blick in die Sterne

LGBTIQ+ und Astrologie

Die LGBTIQ+-Community ist vernarrt in die Astrologie, so eine neue US-Studie. Queere Menschen glauben deutlich stärker daran als Heterosexuelle.
Kampf gegen „Sodomiten“

Christliche Extremisten in den USA

US-Präsident Trump ist zu schwulenfreundlich!? Das zumindest denken mächtige christliche Hardliner, die nun zum Kampf gegen "Sodomiten" aufrufen.
Kampf gegen Fentanyl

Modellprojekt in drei Städten

In einem neuen Modellprojekt soll der Konsum von Fentanyl minimiert werden. Das Opioid wird auch in der sexpositiven Gay-Community zur großen Gefahr.
Neue Niederlage für Meloni

Gericht stärkt Regenbogenfamilien

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat in ihrem Kampf gegen Regenbogenfamilien eine weitere Niederlage vor Gericht eingesteckt.
US-Frontalangriff auf LGBTIQ+

Ende queerer Gesundheitsversorgung

Die US-Regierung will die staatliche Gesundheitsversorgung für alle trans* Menschen streichen und feiert dies als "wunderschönes großes Gesetz".
Freispruch im Fall Samuel Luiz

Vierter Angeklagter kommt frei

2021 schockte der grausame homophobe Mord an Samuel Luiz ganz Spanien. Einer der vier Tatverdächtigen wurde jetzt im Berufungsprozess freigesprochen.
Klage gegen Kürzungen

Rotstift bei LGBTIQ+ in den USA

Die US-Regierung will einen Milliardenbetrag bei der LGBTIQ+-Gesundheit einsparen. Dagegen klagt nun ein Anwaltsbündnis im Namen von 16 Forschern.
Dating-Masche in Sydney

Urteilsspruch in Australien

Australien geht hart gegen Kriminelle vor, die Schwule mittels der Dating-Masche ausrauben. Nun wurden zwei Männer in Sydney zu Haftstrafen verurteilt
World Pride in Washington DC

Kampf gegen Trumps Agenda

Drei Wochen lang wird in Washington DC derzeit der World Pride gefeiert. Die Community zeigt sich kampfbereit, um gegen Trumps Agenda anzugehen.