Gegen Putin-Witze und Verbote Suchsystem „Oculus“ automatisiert Zensur in Russland
Am Montag führte Russlands Kommunikationsbehörde Roskomnadsor einen Algorithmus ein, der das Internet ganz automatisch sichten und überwachen soll. Bisher untersuchte die Zensurbehörde Bilder und Texte noch manuell.
Ausschreibung im Herbst
Laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax veröffentlichte die Behörde im September 2022 eine Ausschreibung für die Entwicklung eines solchen Systems. Gekostet haben soll es 57,7 Millionen Rubel (etwa 730.000 Euro). Erste Tests liefen schon im Dezember, und das System sei seit Januar in die Überwachungssysteme integriert worden und „die ihm zugewiesenen Aufgaben in vollem Umfang“ erfüllen.
Das kann „Oculus“
In einem Interview erklärte die zu Roskomnadzor gehörende Regulierungsbehörde GRFC (General Radio Frequency Centre) der Moskauer Zeitung Vedomosti: Die Hauptaufgabe des Systems ist es, „Gesetzesverstöße in Bildern und Videos“ aufzuspüren. Oculus erkenne „Bilder und Symbole, illegale Szenen und Handlungen“. Der Algorithmus könne aber auch Texte auslesen, die in Fotos und Videos gezeigt werden. Er könne auch „extremistische Inhalte“, „Aufrufe zu illegalen Demonstrationen“ und „drogenfördernde Inhalte, LGBTI*-Propaganda und anderes“ ohne menschliche Hilfe erkennen und habe dabei auch mit handgeschriebenen Texten keine Probleme.
Automatisierte Zensur
Vor Oculus konnten die Mitarbeitenden der Behörde pro Person und Tag durchschnittlich 106 Bilder und 101 Videos sichten. Das System schaffe allerdings „mehr als 200.000 Bilder pro Tag“. Durch die Automatisierung werde die Überwachung von visuellen Inhalten „erheblich beschleunigt“. Laut einem Tweet des unabhängigen russischen Journalisten Andrey Zakharov, der sich selbst als ausländischer Agent Nummer 288 bezeichnet, ist „Oculus so eingerichtet, dass es nach Bildern von Putin der Krabbe, Karikaturen mit Putin, Memes mit Putin als Frau und Motte sucht. Auch Putin in einer Tonne“.
Oculus soll bis 2025 weiter ausgebaut werden. Zu den neuen Fähigkeiten sollen laut Spiegel beispielsweise die Erkennung von weiteren Arten von Gesetzesverstößen zählen. So zum Beispiel auch die Einordnung von „Posen von Personen“.
Ungewollte Kriegsberichterstattung
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine strengen sich die Behörden besonders an, unliebsame Meinungen und die Meinungsbildung im Internet zu unterdrücken. Dazu verabschiedete Präsident Wladimir Putin eilig ein Gesetz gegen angebliche „Fake-News“ über den Krieg. Dieses stellt die „öffentliche Verbreitung absichtlich falscher Informationen über die Benutzung der Streitkräfte der Russischen Föderation“ unter Strafe.