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Franziskus – Lust auf einen Rücktritt?

Franziskus – Lust auf einen Rücktritt? Brauchen wir nicht zwei emeritierte Päpste?

ms - 07.07.2022 - 14:30 Uhr
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[KOMMENTAR] Das gab es noch nie! So titelten einige Zeitungen, als 2013 Papst Benedikt seinen Hut nahm und den Job als Sprachrohr Gottes in die Hände von seinem Nachfolger Papst Franziskus legte. Immer wieder blickte man als Mensch aus der LGBTI*-Community interessiert auf diesen neuen Papst, der Reformen versprach und von einem Aufbruch der Kirche in die Moderne fabulierte. Fast ein Jahrzehnt später ist davon leider nicht mehr viel übrig geblieben und so stellt sich die Frage: Wollen wir nicht abermals etwas tun, was es noch nie gab? Wie wäre es mit zwei emeritierten Päpsten? Kurzum, lieber Franzi, wäre es nicht Zeit für einen schönen Schattenplatz unter einem Olivenbäumchen mit einem Gläschen des Blutes Christi, also einem schönen Roten aus Italien, zusammen mit Benedikt? Da könnt ihr gemeinsam über die Verdorbenheit der Welt sprechen, vielleicht ein neues Büchlein ersinnen oder euch gegenseitig erzählen, wie viele der Missbrauchsfälle wer von euch leider schon vergessen hat.

Dass es manchmal ganz schön stickig unter dem Pileolus, der Mütze des Papstes, werden kann, wurde einmal mehr in diesen Tagen klar, als Franzi mit Blick auf das gefallene Abtreibungsrecht in den USA erklärte, dass Abtreibung wie das “Anheuern eines Auftragsmörders“ sei. Und wie immer in den letzten Jahren bemächtigte sich unser Franzi dabei einer altbewährten Taktik, die in der römisch-katholischen Kirche seit Jahrhunderten erfolgreich umgesetzt wird: Ein Schritt nach vorne, dann zwei zurück. Ganz gleich, ob es sich um die Missbrauchsfälle handelt, nach dessen Veröffentlichungen man seit zehn Jahren Reue und Umdenken verspricht, nur um dann doch wieder alles unter den Teppich zu kehren – ein Grund, warum im Vatikan viele der größten und prunkvollsten Teppiche des Landes liegen – oder ob wir auf die Situation von Homosexuellen blicken, bei denen man sich einmal für entstandenes Leid entschuldigt und sie als ebenso liebenswerte Geschöpfe Gottes preist, und sie an anderer Stelle dann wieder in den zweiten Höllenkreis Dantes verbannt, da, wo die Zügellosen und Lustbesessenen darben.

Nun eben spielen wir das Spielchen mit den Frauen. Die sind, wie eben erwähnt, Auftragsmörder, wenn sie denn abtreiben. Das Medienecho folgte wie erwartet, weswegen Franzi nun verlautbaren ließ, dass er Frauen mehr Einfluss in der katholischen Kirche zugestehen wolle. Das wird die Frauen sehr freuen, wenn ihnen ein alter, greiser Mann mit viel Macht endlich ein wenig mehr Rechte schenken will. Wie edel von ihm. Natürlich könne Franziskus das nicht einfach so sofort bestimmen, wo kämen wir dahin, wenn der Ankündigung einer Reform tatsächlich zeitnah eine Reform folgen würde? Richtig, Höllenkreis, abermals. Also erklärte unser Mützchenträger aus Rom, dass er in einem Gremium namens Dikasterium, welches ihm beratend bei der Auswahl von Bischöfen zur Seite steht, nun vielleicht auch Frauen Einlass gewähren will. Potzblitz! Was für ein Knaller! Also, zur Klarstellung, Frauen dürfen auch weiterhin nicht das Amt eines Priesters oder Bischofs bekleiden, aber sie dürfen als kleinste Minderheit im Gremium die Hand heben, wenn ein alter Mann zum Bischof ernannt wird. Ganze zwei Frauen stehen dann 28 Männern gegenüber – das nennt man Revolution. Wann es zu diesem bahnbrechenden Ereignis kommen soll, ließ Franzi übrigens noch offen, erklärte dann aber noch: „Ich bin offen dafür, ihnen eine Chance zu geben.“ Ach, Mensch, ist das nicht schön, liebe Frauen? Er ist offen dafür, euch eine Chance zu geben? Gut, liebe Frauen, das klappt natürlich nur, wenn ihr dann in Amt und Würden nicht falsch wählt, also bitte Vorsicht! Wenn Franzi bereits so emanzipiert gedanklich im 19. Jahrhundert der Gesellschaft angekommen ist, kann es bis zur Gleichberechtigung von Homosexuellen ja nur noch zwei bis drei Jahrhunderte dauern. Wir freuen uns drauf.  

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