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Finales Nein zur Schulzensur

Finales Nein zur Schulzensur Präsident Duda legt auch im zweiten Anlauf sein Veto ein

ms - 22.12.2022 - 08:47 Uhr
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Nein zu Homosexuellen-Zensur an Schulen! Zum zweiten Mal hat jetzt der polnische Präsident Andrzej Duda sein Veto gegen die Bildungsreform der Regierung eingelegt, die als “Lex Czarnek“ bekanntgeworden ist. Im Kern zielte das Vorhaben darauf ab, eine Zensur an polnischen Schulen und Universitäten einzuführen, wobei selbst Schulleiter überwacht worden wären. Regierungskritische Aspekte oder LGBTI*-Themen wären dann komplett verboten gewesen, bei Zuwiderhandlungen hätten landesweite Berufsverbote sowie auch Geldstrafen für die Lehrkräfte gedroht. Lehrer wären auch dazu gezwungen gewesen, ihre genauen Lehrpläne an eine Art Überwachungsbehörde zu übermitteln, damit der Lehrstoff im Sinne der Regierung stattfindet. Für die Mehrheit der Polen geht dieser massive Einschnitt und die damit verbundene Ideologisierung der polnischen Bildungseinrichtungen viel zu weit.  

Bereits die erste Version sorgte für Widerstand

Erstmals im März dieses Jahres hatte Präsident Andrzej Duda der Reform des Schulwesens, initiiert vom namensgebenden Bildungsminister Przemyslaw Czarnek, eine Absage erteilt. Seine Erklärung damals: In der aktuellen Lage zu Beginn des Ukraine-Krieges wolle er politische Streitigkeiten nicht fördern und appellierte dabei an die Einheit des Landes. Das Veto des Präsidenten ist ein machtvolles Instrument und könnte nur mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament überstimmt werden. Nicht nur viele LGBTI*-Organisationen, sondern auch die politische Opposition, Menschenrechtsvereine, Gewerkschaften und polnische Kommunen hatten sich gegen das Gesetzesvorhaben ausgesprochen. Zudem stand die Befürchtung im Raum, dass eine derart rabiate Art der Zensur an Bildungseinrichtungen zu neuen Problemen mit der Europäischen Union führen könnte.  

Neuauflage ohne gesellschaftliche Mehrheit

Bildungsminister Czarnek gab sich mit dieser Niederlage offensichtlich nicht zufrieden, immer wieder betonte er auch, dass das neue Gesetz zum Schutz der Kinder vor der feindlichen “LGBT-Ideologie“ eingeführt werden müsse. So hatte die größtenteils homophobe Regierung seitdem an einer Neuauflage des Gesetzes, einer Lex Czarnek 2.0, gearbeitet, welche schlussendlich auch in beiden Kammern des polnischen Parlaments verabschiedet wurde. Trotzdem legte Präsident Duda jetzt abermals sein Veto ein und begründete diesen Schritt damit, dass man sich im neuen Gesetzesvorhaben nicht auf einen Kompromiss verständigt habe.

Zudem habe er 133 Protestschreiben, einige darunter Sammelschreiben von Dutzenden sozialer Organisationen aus dem ganzen Land, erhalten. „Dieses Projekt hat offensichtlich keine breite gesellschaftliche Akzeptanz gefunden. Auf allen Seiten der politischen Szene finden die Akteure Punkte in diesem Gesetzentwurf, an denen sie ernsthafte Zweifel haben und gegen die sie protestieren. Ich werde dieses Gesetz nicht unterzeichnen (…) Ich verstehe, dass dies einen großen Teil unserer Gesellschaft beruhigen wird. Wir brauchen heute Frieden, sozialen Frieden wie auch politischen Frieden.“

Enttäuschung in der Regierung, Freude im Land

Bildungsminister Czarnek erklärte nach der erneuten Niederlage: „Ich bin enttäuscht, weil der Präsident dieses Gesetz in seiner Rede noch gelobt hat, in der er das erste Veto begründet hatte.“ Präsident Duda hatte in der Tat zunächst mit dem Gesetzesvorhaben geliebäugelt, doch gehen politische Beobachter davon aus, dass er sich nach dem massiven anhaltenden Widerstand aus der breiten Bevölkerung und der möglichen Gefahr weiterer Probleme mit der EU schlussendlich dagegen entschieden hat. Ob Czarnek indes einen dritten Anlauf startet, wird derzeit stark bezweifelt.

Von Seiten der Opposition wie auch von zahlreichen LGBTI*-Verbänden wird die erneute Absage der Schul-Zensur gefeiert. „Wir haben ein Veto! Präsident Duda hat sein Veto gegen die Lex Czarnek 2.0 eingelegt! Ein Erfolg für Schüler, Eltern, Lehrer und kommunale Organisationen! Das Wichtigste ist konsequentes und effektives Handeln“, erklärte beispielsweise die Abgeordnete der Neuen Linken, Karolina Pawliczak.

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