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Eine Frage des Spermas

Eine Frage des Spermas Schwuler Kanadier klagt gegen Diskriminierung in Samenbanken

ms - 07.02.2023 - 11:00 Uhr
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Es ist in der Tat eine Frage des Spermas – wenigstens für den schwulen Mann, der jetzt die kanadische Regierung aufgrund seiner Politik gegenüber homosexuellen Männern verklagt hat. Aziz M. geht dabei konkret gegen die nationale Gesundheitsbehörde Health Canada vor, weil diese schwule Männer diskriminiere. Er fühle sich dadurch als Bürger zweiter Klasse und der Staat selbst handele verfassungswidrig, so Aziz M. weiter.

Starre Richtlinien für schwule Männer

Ausgangspunkt der Klage ist die derzeitige Politik von Health Canada, die es schwulen und bisexuellen Männern (MSM) verbietet, eine Samenspende bei einer Samenbank abzugeben, es sei denn, sie haben drei Monate lang auf Sex ganz verzichtet oder spenden ihr Sperma für jemanden, den sie persönlich kennen. Die Richtlinie bezeichnet das Sperma von MSM-Spendern, die diese Kriterien nicht erfüllen, als "ungeeignet", obwohl alle Spender vor und nach der Spende untersucht werden, um sicherzustellen, dass sie keine sexuell übertragbaren Infektionen oder Krankheiten haben. Mit dieser strengen Verordnung werden selbst jene schwulen Männer ausgeschlossen, die beispielsweise in einer langfristigen monogamen Beziehung leben.

Willkür und stereotype Schwulenklischees

"Der Grund, warum ich mich entschlossen habe, vor Gericht zu gehen, ist dieses Gefühl der Diskriminierung. Es ist, als wäre man als Spender unerwünscht, weil man schwul ist. Es fühlt sich an wie eine willkürliche Regel“, so Aziz M. weiter, der von der unabhängigen Gruppe Court Challenges Program zum Schutz der Verfassungsrechte finanziell unterstützt wird. In der Klage von Aziz M. heißt es weiter, dass diese Politik "stereotype Einstellungen und Vorurteile gegenüber schwulen und bisexuellen Männern aufrechterhält, einschließlich falscher Annahmen über ihre Gesundheit, ihre Sexualpraktiken und ihre Eignung, an der Zeugung von Kindern mitzuwirken."

Bis 2020 waren Schwule gänzlich unerwünscht

Bis Februar 2020 waren die Richtlinien von Health Canada dabei noch strenger und sahen ein lebenslanges Spenderverbot für schwule und bisexuelle Männer vor – die Begründung damals wie heute ist eine mögliche HIV-Übertragung, auch wenn Dr. Sony Sierra, Präsident der kanadischen Gesellschaft für Fertilität und Andrologie, selbst einräumen muss, dass das Risiko "sehr gering" sei. Aber es ginge eben auch um die Sicherheit der vorgesehenen Empfänger, so Sierra weiter.  

Kläger spendete Samen bereits “illegal“

Aziz M. hatte in Toronto bereits in den Jahren 2014 und 2015 Samen spenden dürfen, in einem Fahl führte dies auch zur Geburt eines Kindes – allerdings hatte der schwule Mann offenbar nicht vor Ort bei der Samenbank seine Sexualität angegeben. Der Anwalt des Mannes, Gregory Ko, erklärte: "Es ist nicht ungewöhnlich, dass viele schwule und lesbische Paare auf Samenspender innerhalb der Community angewiesen sind, und diese Richtlinie stellt explizit eine Barriere dar, zusätzlich zu all den anderen Barrieren, die für queere Familien bestehen, um Kinder zu bekommen."

Eine Änderung der Richtlinien wäre für Kanada einfach umsetzbar, denn alle Samenspenden werden von einer Regierungsbehörde abgewickelt, nicht von privaten oder anderweitigen Unternehmen wie beispielsweise bei der Blutspende. "Wir glauben aufrichtig, dass die Gerichte zustimmen werden, dass dies ein klarer Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit ist und auf der Grundlage des Standes der Wissenschaft nicht mehr zu rechtfertigen ist", so Ko abschließend.

Politischer Zuspruch

Zuspruch kommt von mehreren Politikern, beispielsweise dem kanadischen Abgeordneten Randall Garrison von der New Democratic Party, der gegenüber CTV erklärte: "Es gab nie eine wissenschaftliche Grundlage für das Verbot von Samenspenden durch schwule Männer, überhaupt keine. Man sagt mir, dass sie daran arbeiten, aber das tun sie angeblich seit über fünf Jahren. Es ist einfach enttäuschend, dass die Regierung in der heutigen Zeit nicht erkennt, dass sie hier handeln muss."

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