Digitaler Hass gegen LGBTI* Wo beginnt digitaler Hass? Und wo die Meinungsfreiheit?
Am heutigen Internationalen Tag gegen Hate Speech diskutiert die LGBTI*-Community einmal mehr um die Frage: Was konkret sind hasserfüllte Aussagen? Wo beginnt verbale Hetze und wo die persönliche Meinungsfreiheit? Im Fokus dieser Debatten steht auch heute einmal mehr die Plattform X, ehemals Twitter.
Hasserfüllter Content?
In Deutschland haben sich 47 Organisationen zusammengeschlossen, um heute medienwirksam die Nachrichtenplattform X zu verlassen: „In den vergangenen Jahren haben wir X als wichtige Plattform für den Austausch von Ideen und für politische Diskussionen kennengelernt. Doch zunehmend sehen wir uns mit hasserfülltem, diskriminierendem und desinformierendem Content auf X konfrontiert. Elon Musk, der die Plattform im Oktober 2022 übernommen hat, setzt Moderation mit Zensur gleich und hat diese deutlich zurückgefahren. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Meinungsfreiheit werden Konten, die wegen der Verbreitung extremistischer Inhalte bereits gesperrt waren, wieder freigeschaltet.“
Diese Kritik kommt auch von nationalen wie internationalen LGBTI*-Organisationen wie beispielsweise GLAAD in den USA. In Deutschland hat sich allerdings keine LGBTI*-Organisation dem heutigen Gruppenaustritt von X angeschlossen. Zu den bekanntesten Verbänden gehören die Kindernothilfe, Terre des Hommes oder auch die AWO International.
Digitaler Hass auf LGBTI*-Jugendliche
Generell zeigen die jüngsten Daten auf, dass Hasskriminalität in vielen Ländern sowohl in Europa aber auch in den USA zugenommen hat – in Deutschland stiegen die Fallzahlen zuletzt um 65 Prozent binnen eines Jahres an. Unter den Passus der Hasskriminalität fällt auch die digitale Hetze. Etwa jeder vierte Deutsche (27 %) im Alter von 16 bis 74 Jahren ist in der Bundesrepublik mit Hassreden online konfrontiert, in Summe rund 16 Millionen Menschen.
Besonders dramatisch zeichnet sich die Lage für junge Internetnutzer im Alter zwischen 16 und 44 Jahren ab, mehr als jeder Dritte (36 %) berichtete von Hate Speech, so die letzten Daten des Bundesamtes für Statistik. Zu den Top-3-Gründen für die digitalen Attacken gehört die (vermeintliche) Homosexualität der Opfer.
Gesetze gegen Hate Speech
Das EU-Parlament hatte zu Beginn dieses Jahres daraufhin beschlossen, Hassreden im Internet künftig in der ganzen Europäischen Union unter Strafe stellen zu wollen. Konkret soll Hate Speech in den Katalog der EU-Straftaten aufgenommen werden, das würde in der Konsequenz eine europaweite Verfolgung der Täter ermöglichen.
Wie das schlussendlich allerdings sinnvoll tatsächlich umsetzbar ist, bleibt indes umstritten, wie jüngst der Fall Schottland zeigt. Hier ist in diesem Jahr der „Hate Crime and Public Order Act“ in Kraft getreten. Das Problem: Das neue Gesetz gegen Hassverbrechen bleibt an vielen Stellen vage und lässt Raum für Interpretationen. Kritik daran kommt deswegen nicht nur von Prominenten und Politikern, sondern auch von der schottischen Polizei selbst, die das Gesetz in dieser Form schon rein personell für nicht umsetzbar hält. Durch die 400 Meldestellen, in denen Schotten nun anonym andere Landsmänner eines Hassverbrechens bezichtigen können, würde damit vor allem die Meinungsfreiheit eingeschränkt und der Denunziation massiv Vorschub geleistet. Der Streit darüber dauert in Schottland weiter an.
Mehr Hass online
In den USA betonte zuletzt auch die LGBTI*-Kampagne „It Gets Better“, dass digitaler Hass vor allem für LGBTI*-Jugendliche ein besonders großes Problem darstelle. Ähnlich kritisch sieht das auch GLAAD, der Verein spricht von einer neuen „Welle von Drohungen und Gewalt“, die die LGBTI*-Community weltweit erfahre – auch in Europa. Durch die digitale Welt ist auch der Hass gut vernetzt. Das Center for Countering Digital Hate und die Anti-Defamation League bestätigten den Anstieg von Hassreden, vor allem bei schwulen- und transfeindlichen Beleidigungen.
„Die Social-Media-Unternehmen sind direkt für den Anstieg von Hass und Gewalt gegen die LGBTI*-Community verantwortlich. Anstatt einen gesunden Dialog zu fördern, profitierten die Unternehmen von digitalem Hass – Wut ist für sie gleichbedeutend mit Profit. Ich möchte diese Medienunternehmen einfach endlich wachrütteln“, so GLAAD-Geschäftsführerin Sarah Kate Ellis.