Die Lage ist aussichtslos Homosexuelle werden immer mehr zu politischen Sündenböcken
Die Lage in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) wird für LGBTI*-Menschen immer besorgniserregender und aussichtsloser – zu diesem dramatischen Schluss kommen jetzt mehrere VAE-Experten, darunter auch Ryan Centner, Professor an der School of Economics in London nach mehrjährigen Forschungsarbeiten vor Ort. Ein freies Leben für Schwule, Lesben oder queere Menschen ist bekannterweise seit langem in den Emiraten nicht möglich, doch gab es immer wieder vereinzelt Errungenschaften und Anzeichen dafür, dass homosexuelles Leben bis zu einem gewissen Ausmaß unter der Hand toleriert wurde – diese Entwicklungen haben sich in den letzten Monaten aber offenbar immer mehr in Luft aufgelöst.
Einzig noch hinter verschlossenen Türen fand und findet noch vereinzelt eine gewisse Form von schwulem Leben statt, so Centner gegenüber der Deutschen Welle: "Ein Großteil des schwulen Nachtlebens in Dubai findet nur noch in den zahlreichen internationalen Hotels der Stadt statt, die technisch gesehen allen offen stehen, die es sich leisten können. Kein einziger Veranstaltungsort verwendet auf seiner Website mehr das Wort 'schwul' oder ähnliche Euphemismen, und es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass er sich an ein schwules Publikum richtet.“ Homosexuelle Besucher wie auch Einwohner kontaktieren sich nur noch gelegentlich über die sozialen Medien beziehungsweise finden Treffen nur noch über Mundpropaganda statt.
Wie so oft gibt es dabei einen Unterschied, zwischen den offiziellen Entwicklungen und den realen Gegebenheiten vor Ort. So verzeichnete die internationale LGBTI*-Organisation ILGA in den letzten fünfzehn Jahren zwar “nur“ 21 Fälle, in denen Homosexuelle aufgrund ihrer Sexualität strafrechtlich verfolgt worden sowie mit Geld- oder Haftstrafen belegt worden sind. Die gelebte Realität in den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigt indes, dass das Klima immer strikter und radikaler werde – habe man früher noch mancherorts “weggeschaut“, werde inzwischen sehr explizit nach “illegalen homosexuellen Aktivitäten“ gefahndet. Derzeit im medialen Rampenlicht aufgrund der Fußballweltmeisterschaft steht das Emirat Katar und die dortige dramatische Menschenrechtslage für Homosexuelle. Dabei übersehe man gerne, dass auch in den Nachbarländern die Zeichen sich mehren, dass die Stimmung immer mehr kippt: In Saudi-Arabien beispielsweise wurden erst vor wenigen Tagen alle Produkte im täglichen Bedarf verboten, die in Regenbogenfarben gestaltet sind. Im Libanon werde gerade massiv von den Behörden versucht, Befürworter und Veranstalter von Pride-Angeboten ausfindig zu machen. Und das Bildungsministerium der Vereinigten Arabischen Emirate aktualisierte erst in diesem Monat seinen Verhaltenskodex, der für alle Lehrkräfte unmissverständlich klarstellt: "Diskussion über Geschlechtsidentität, Homosexualität oder andere Verhaltensweisen gelten in der Gesellschaft der VAE als inakzeptabel." Explizit wurden dabei auch Ausländer angesprochen, die beispielsweise als Englischlehrer im Land tätig sind. Es ist das erste Mal, dass der Verhaltenskodex eine solche Formulierung kundtut. Die Deutsche Welle fragte beim Bildungsministerium nach, ob dies der erste Schritt eines konkreten Vorgehens gegen die LGBTI*-Community sei – eine Antwort bekam das Presseorgan nicht.
Nach Rücksprache mit weiteren Experten für den Nahen Osten in DW-Interviews scheint klar zu sein, dass die VAE konkret zwischen Schritten in die Moderne und den geforderten Werten der breiten Mehrheit der Bevölkerung abwägen will. Mostafa Minawi, Professor für Geschichte des Nahen Ostens an der Cornell University dazu: „Bei den koordinierten Bemühungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Katar, dem Libanon und auch der Türkei, die allesamt gegen die Symbolik jeglicher LGBTQ-Existenz in der Öffentlichkeit vorgehen, wie zum Beispiel die Regenbogenflagge, zeichnet sich ein Muster ab. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre Beziehungen zu Israel neu gestaltet, was bei Teilen der Bevölkerung sehr unpopulär ist. Welche bessere Methode gibt es also, um der lokalen Bevölkerung zu signalisieren, dass sie an ihren Traditionen festhält?" So werde jetzt die heimische LGBTI*-Community und im Speziellen Homosexuelle zu politischen Sündenböcken gemacht.