Die Affenpocken bleiben! Gesellschaft für Geschlechtskrankheiten spricht von endemischer Lage
Die Deutsche STI-Gesellschaft für Geschlechtskrankheiten (DSTIG) hat in einem offiziellen Schreiben jetzt klargestellt, dass es sich bei den Affenpocken aus Sicht der Fachleute um eine Geschlechtskrankheit handelt – bisher war dies von verschiedenen Stellen in Abrede gestellt worden. Die DSTIG dazu: „Aus Sicht der DSTIG handelt es sich bei einer Infektion mit Affenpockenviren (MPXV) um eine sexuell übertragbare Infektion. Wir sprechen immer dann von einer STI, wenn die sexuelle Übertragung des jeweiligen Erregers – in diesem Fall MPXV – für das Infektionsgeschehen relevant ist. Fast alle STI-Erreger werden nicht ausschließlich sexuell übertragen (Beispiel: Syphilis). Bei MPX handelt es sich wesentlich um eine Schmierinfektion. MPX kann also, wie viele andere STI, auch bei nicht-sexuellen Kontakten übertragen werden. Den weltweiten – außerhalb der klassischen Endemiegebiete – seit Sommer 2022 berichteten MPXV-Infektionen liegen fast ausschließlich sexuelle und damit enge körperliche Kontakte zugrunde.“
Stigmafrei mehr Bewusstsein schaffen
Des Weiteren erklärt die Fachstelle mit Sitz in Bochum zum umstrittenen Thema der Stigmatisierung: „Der Umgang mit der HIV-Epidemie in vielen Ländern seit den 1980er Jahren hat gezeigt, dass Verhaltens- und Verhältnisprävention sinnvoll zu kombinieren sind. Eine stigmatisierende Behandlung von beziehungsweise Berichterstattung über Menschen aus Schlüsselgruppen hat nicht zuletzt unerwünschte Auswirkungen auf die Prävention. Der Versuch, stigmafrei zu berichten, darf aber nicht dazu führen, dass Schlüsselgruppen der Prävention nicht mehr benannt werden. Die Schaffung von Bewusstsein, gerade zu einer neuen Erkrankung, und die umfassende Vermittlung von Wissen über Risiken, unabhängig von Gruppenzugehörigkeiten, ist vorrangig für die Verhaltensprävention. Notwendig für eine sinnvolle Verhältnisprävention ist es, Schlüsselgruppen, in diesem Falle Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), einen priorisierten Zugang zur Impfung zu ermöglichen, und dies nachhaltig.“ Aktuell sind gerade einmal rund 110.000 neue Impfeinheiten in Deutschland angekommen und in den einzelnen Bundesländern verteilt worden, so das Gesundheitsministerium auf Rückfrage in dieser Woche. Weitere 36.000 Impfdosen sollen in diesen Tagen in die Verteilung gehen, wann die restlichen bestellten Impfeinheiten in der Bundesrepublik ankommen, ist indes noch offen. Die Linke kritisierte in dieser Woche das Verhalten des Gesundheitsministeriums und insbesondere von Gesundheitsminister Karl Lauterbach scharf. Mehr Einsatz fordert in diesem Zusammenhang auch die DSTIG, mittelfristig müsse allen Menschen mit einem Risiko ein leicht zugängliches Impfangebot gemacht werden, wobei die Fach-Organisation von mindestens rund 500.000 Personen in Deutschland ausgeht. Jedes Jahr kämen dabei rund 10.000 weitere Menschen generationsbedingt hinzu. Das deckt sich mit Forderungen der Deutschen Aidshilfe, dass die Bundesrepublik mit Blick auf eine effektive Zweifach-Impfung mindestens eine Million Impfdosen einkaufen sollte – bisher verweigert dies das Gesundheitsministerium und verweist auf niedrige Schätzungen von Fallzahlen des Robert-Koch-Instituts.
Forderung nach Priorisierung für schwule Männer
Die DSTIG erklärt im weiteren Verlauf auch, dass eine generelle Isolation von infizierten Menschen nicht erforderlich sei, wobei dies immer dann zu erwägen ist, wenn schwere Hautveränderungen nicht durch Kleidung verdeckt werden können und so eine nicht-sexuelle Übertragung wahrscheinlicher werden könnte. Zudem könne sich eine wochenlange Isolation auch als sozial und finanziell stark belastend für die betreffende Person auswirken. Sinnvoll sei es dagegen, eine spezifische Therapie für schwer Erkrankte bereitzustellen und den Impfstoff für Schlüsselgruppen wie schwule und bisexuelle Männer niedrigschwellig und nachhaltig zur Verfügung zu stellen. Zudem stellt die Fach-Organisation klar: „Die DSTIG spricht sich dafür aus, Menschen mit einem erhöhten Risiko für eine MPXV-Infektion bei den Impfungen zu priorisieren. Das sind aktuell vor allem Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) … Kurzfristig können die vorhandenen und bestellten Impfdosen vervielfacht werden, indem dort, wo die Indikation und die fachliche Qualifikation vor Ort es erlauben, intradermal statt subkutan geimpft wird, wie es aktuell in Österreich, Belgien, Spanien, den Niederlanden, Schweden, dem Vereinigten Königreich und den USA praktiziert wird. Die Bundesregierung und die 16 deutschen Landesregierungen sind aufgefordert, Möglichkeiten eines nachhaltigen, niedrigschwelligen Zugangs zu ausreichend Impfstoff zu gewährleisten. Um die Impfungen schnell und breit zugänglich zu machen, können sie von qualifizierten medizinischen Fachpersonen auch dezentral, zum Beispiel in Checkpoints oder Apotheken, angeboten werden.“ Es sei zudem sehr wahrscheinlich, dass MPX auf mittlere Sicht in Deutschland endemisch wird, so die DSTIG weiter: „Dies legen auch Untersuchungen nahe, die MPXV-Mutationen detektiert haben, die eine größere Infektiosität besitzen könnten.“ Man müsse sich also langfristig auf das Problem einstellen und es als solches auch fachgemäß angehen.