Dialog und Diversität Pfarrer in Texas setzt sich für LGBTIQ+ ein
Joseph Yoo prägt als Gemeindepfarrer in Pearland bei Houston nicht nur seine direkte Umgebung, sondern erreicht über soziale Medien weltweit ein Millionenpublikum. Seine kurzen Videos auf Plattformen wie TikTok und Instagram machen Glaubensthemen für viele neu erlebbar und ziehen längst auch Menschen aus der Region in Gottesdienste seiner Gemeinde. Damit wächst Yoo zu einer der sichtbarsten Digitalkirchenstimmen der USA und zeigt, wie gelebte Spiritualität Menschen auch abseits klassischer Strukturen ansprechen kann. Der Evangelischen Zeitung gab er nun ein Interview.
Zwischen Tradition und digitaler Reichweite
Joseph Yoo ist Sohn koreanischer Einwanderinnen und Einwanderer und kennt das Gefühl des Dazwischenseins aus eigener Erfahrung. In seiner Arbeit verknüpft er traditionelle Gemeinschaftswerte seiner Herkunft mit einem inklusiven Ansatz. Seine Aktivitäten in den sozialen Medien starteten 2020 während des Lockdowns, anfangs aus reiner Neugier, später mit wachsender Resonanz. Heute folgen seinen Beiträgen Hunderttausende, darunter prominente Persönlichkeiten wie Whoopi Goldberg. Die beliebten Kurzvideos greifen Alltagsthemen auf, reflektieren spirituelle Erfahrungen und beziehen gesellschaftspolitische Positionen. Seine Gemeinde in Pearland zählt zu den wenigen Kirchen in Texas, die offen die Rechte und die Anerkennung von LGBTIQ+-Personen unterstützen, was angesichts restriktiver politischer Entwicklungen in Texas ein bemerkenswertes Signal setzt.
Soziale Medien sieht Yoo als Mittel zum kreativen Austausch. Gerade dort, wo kontroverse Themen in Predigten keinen Platz finden, nutzt er digitale Formate für Dialog und Diversität. Dass regelmäßig neue Besucherinnen und Besucher über diesen Weg zu seiner Gemeinde kommen, zeigt die Wirksamkeit: Manche fahren dafür sogar eine Stunde nach Pearland und erleben Kirche erstmals als inklusiven, offenen Ort. Expertinnen und Experten bestätigen, dass digital geprägte Gemeinden zunehmend an Strahlkraft gewinnen und auch jüngere Zielgruppen erreichen: Eine US-Studie prognostizierte bereits 2024, dass fast 60 Prozent der jungen Erwachsenen ihren ersten Kontakt mit Glaubensthemen online erleben.
Digital vernetzt, persönlich engagiert
Yoo kommentiert, dass Social Media für ihn Hobby und Berufung in Balance hält, wobei der direkte Gemeindekontakt oberste Priorität bleibt. Seine Inhalte sind dabei stets persönlich gefärbt, echte Geschichten aus dem Alltag oder Märchen seiner Kindheit. Dieses Erzählen versteht er ausdrücklich nicht als Mini-Predigt, sondern als Angebot, wie Gottes Gegenwart in gewöhnlichen Erfahrungen aufscheint. Die konsequente Offenheit auch gegenüber marginalisierten Gruppen spiegelt sich in konkreter Gemeindearbeit – vom Regenbogen im Schaufenster bis zur bewussten Ansprache von Personen, die im kirchlichen Raum oft diskriminiert werden.
„Viele fürchten sich, sichtbar für ihren Glauben einzutreten. Aber wenn auch nur eine Person dadurch neue Hoffnung fasst, ist das Risiko jede Mühe wert.“ — Joseph Yoo, Interviewaussage
Konsequenzen und Ausblick auf neue Kirchenmodelle
Die Entwicklung von Joseph Yous Gemeinde steht beispielhaft für den Wandel vieler religiöser Gemeinschaften in den USA und weltweit. Während klassische Formate zunehmend unter Druck geraten, setzen neue Gemeindegründungen auf Inklusion und Digitalisierung. Der Anstieg von Hassverbrechen und politischen Spannungen in Texas bewegt viele, doch Yoo begegnet dem Klima der Verunsicherung mit einem Ansatz gelebter Nächstenliebe: Mit offener Sprache, niedrigschwelliger Kontaktaufnahme und der klaren Botschaft, dass Kirche ein Schutzraum und kein Ort der Ausgrenzung sein muss. Ob damit eine Blaupause für zukünftige digitale Gemeinden entsteht, bleibt abzuwarten, dass hier jedoch gesellschaftliches Umdenken sichtbar wird, gilt als sicher.