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Das Schauspiel geht weiter!

Das Schauspiel geht weiter! Sollen homosexuelle Segnungen ab 2026 doch noch verhindert werden?

ms - 22.06.2023 - 10:00 Uhr
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Einmal mehr geht in diesen Tagen das inzwischen unwürdige Schauspiel zwischen Vertretern der römisch-katholischen Kirche und der deutschen LGBTI*-Community weiter. Immer mehr offenbart die Kirche dabei ein zutiefst zerstrittenes Bild auch von sich selbst.

Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben, ja oder nein?

Einmal mehr geht es im Wesentlichen um die Rechte von Homosexuellen. In einer umstrittenen Entscheidung hatte die Mehrheit der deutschen Bischöfe im März dieses Jahres beschlossen, ab 2026 Segnungen von Schwulen und Lesben zuzulassen – gegen den mehrfach bekundeten ausdrücklichen Willen des Papstes sowie des Vatikans. Zustande gekommen war der Schritt vor allem durch den dreieinhalbjährigen Reformprozess Synodaler Weg, ein Beratungsgremium aus kirchlichen Laien und Bischöfen, das in diesem Jahr abgeschlossen worden war. Den homophoben Hardlinern unter den deutschen Würdenträgern war dies seit langer Zeit ein Dorn im Auge.

Woelki und drei bayerische Bischöfe stellen sich gegen Reformen

Nun kam die Revanche: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und drei Bischöfe aus Bayern blockierten die Finanzierung eines neuen Entscheidungsgremiums. Die fadenscheinige Begründung: Man wisse ja noch gar nicht, welche Kompetenzen dieses neue Gremium habe. Außer Woelki zeigen sich so auch die Bischöfe Gregor Maria Hanke aus Eichstätt, Stefan Oster aus Passau und Rudolf Voderholzer aus Regensburg uneinsichtig.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – die Vertretung der Laien – sowie auch die Mehrheit der deutschen Bischöfe wollen die Beratungen im neuen „Synodalen Ausschuss“ allerdings fortführen, weswegen jetzt anderweitig nach Spendern und einer gesicherten Finanzierung gesucht wird

Soll die Segnung von Homosexuellen verhindert werden?

Für die Reforminitiative Maria 2.0 ist das Verhalten der vier Bischöfe nichts weniger als „Wortbruch auf der ganzen Linie“. Weiter erklärte die Initiative: „Da wird über mehr als zwei Jahre im Rahmen des Synodalen Weges etwas Ähnliches wie Demokratie geübt. Wenn es aber dann um die Vorbereitung der weiteren Umsetzung der gefassten Beschlüsse geht, machen die wenigen Reformgegner von ihrem Veto-Recht Gebrauch.“

Es ist davon auszugehen, dass Woelki und seine drei Kollegen so auch versuchen wollen, die beschlossene Segnung von Homosexuellen ab 2026 erneut zu verhindern – beim Votum mussten sie sich noch der Mehrheit der anderen Bischöfe geschlagen geben. Für die Finanzierung eines neuen Gremiums bedarf es allerdings Einstimmigkeit bei der Abstimmung.

Schwammige Themensetzung bei der Weltsynode

Dem Vatikan war bereits das erste Gremium nicht genehm, ähnlich verhält es sich nun mit dem Nachfolgeprojekt. Das Schauspiel ist dabei seit geraumer Zeit gleich: In einem ersten Schritt erklärt der Vatikan oder der Papst etwas Positives gegenüber Homosexuellen, tags darauf wird zurückgerudert und verkündet, wie sündhaft Schwule und Lesben doch bleiben – mit mehr Rechten dürften sie weiterhin nicht rechnen.

Rund vier Monate vor Beginn der Weltsynode hat so jetzt der Vatikan das Arbeitspapier samt Themensetzung dazu veröffentlicht. Dabei wird erneut mit schwammigen Worten die Frage aufgeworfen, wie die Kirche jene erreichen könne, die sich „von der Kirche verletzt und von der Gemeinschaft nicht erwünscht fühlen.“ Es geht dabei explizit um LGBTI*-Menschen, Geschiedene und Personen in polygamen Ehen, die sich aufgrund „ihrer Affektivität und Sexualität von der Kirche ausgeschlossen fühlen".

Es muss sich was ändern? Der Vatikan hat viel Zeit!

Im Oktober sollen die rund 370 Geistlichen dann in Rom zusammentreffen und auch darüber beraten – mehr als Lippenbekenntnisse sind wohl auch dieses Mal allerdings nicht zu erwarten; und so kam bereits erste Kritik von Seiten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und Initiator des Synodalen Weges, Georg Bätzing, auf.

Zusammen mit einigen Kollegen erklärte er, dass erneut wenig Konkretes zu finden sei, wie eine Reformation tatsächlich gelingen könne: „Auch wenn die Synode Wert darauf legt, sich mit dem wichtigen ´Wie´ von Synodalität zu befassen, sollten die weltweit aufkommenden Themen und Fragen – etwa nach der stärkeren Beteiligung der Frauen, der Zukunft des Priesterberufs, dem an die Gemeinschaft rückgebundenen Umgang mit Autorität oder der Weiterentwicklung der Sexuallehre – keinesfalls aus dem Blick geraten. Diese Themen sind drängend und können von einer synodalen Kirche nicht mehr sehr lange aufgeschoben werden.“ Der Passus „nicht mehr sehr lange“ mag dabei wohl im Vatikan anders definiert werden als in Deutschland, hier denkt man gerne in Zeitspannen von mehreren hundert Jahren.  

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