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Zahlreiche Hinweise bei der Polizei eingegangen

CSD-Angreifer weiter auf der Flucht Kundgebung gegen Hasskriminalität in Münster geplant

ms - 02.09.2022 - 10:30 Uhr
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Der 25jährige trans-Mann Malte C. liegt nach dem brutalen Angriff am vergangenen Wochenende im Rahmen des CSD Münster weiterhin im Koma. Inzwischen haben zahlreiche Politiker ihr Bedauern und ihre tiefe Bestürzung bekundet, beispielsweise zuletzt auch der Oberbürgermeister der Stadt, Markus Lewe (CDU). Bei der Polizei sind seit dem Fahndungsaufruf Anfang der Woche zahlreiche Hinweise eingegangen, eine konkrete Spur scheint die Polizei in Münster aber noch nicht zu haben. Gesucht wird ein schlanker junger Mann im Alter zwischen 18 und 20 Jahren, der nach der Tat zusammen mit einem Freund vom Tatort flüchtete.

Zum Tathergang: Zum Ende des CSDs in Münster am vergangenen Wochenende beschimpfte der unbekannte Täter mehrere lesbische Frauen wüst mit Worten wie “Lesbische Huren, verpisst euch!“. Der 25-Jährige trans-Mann hatte die Situation mitbekommen, war couragiert eingegriffen und hatte den Aggressor aufgefordert, seine Beleidigungen zu unterlassen. Dieser schlug daraufhin unvermittelt Malte C. zweimal mit der Faust direkt ins Gesicht, sodass der junge Mann bewusstlos zu Boden ging und mit dem Hinterkopf auf den Asphalt aufschlug. Die Verletzungen in der Hirnregion waren so massiv, dass Malte noch am gleichen Tag mehrfach operiert werden musste und seitdem im künstlichen Koma liegt. Nach Angaben der Klinikleitung sei der junge Mann inzwischen außer Lebensgefahr, der Verein “Trans*Inter-Münster“ erklärte indes, Maltes Zustand sei weiterhin lebensbedrohlich. Ob der junge Mann dauerhafte Hirnschäden davongetragen hat, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Mit einer Kundgebung heute Abend (02. September ab 18 Uhr) vor dem Rathaus am Prinzipalmarkt will der Verein ein starkes Zeichen gegen queer-feindliche Gewalt setzen – Teilnehmer sind herzlich willkommen.

Der Lesben und Schwulenverband Deutschland hatte den Angriff, der sich ursprünglich gegen eine Gruppe von lesbischen Frauen richtete, klar als Hassverbrechen definiert und erklärte überdies: „Wenn unsere Community noch nicht einmal beim Christopher-Street-Day sicher ist, zeigt das, wie sehr LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität unsere Freiheit einschränkt. Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, nicht-binäre und queere Menschen haben ein Grundrecht darauf, frei und sicher leben zu können. Es ist die Aufgabe des Staates, diese Grundfreiheiten zu garantieren und zu schützten.“ Zu Hetze gegenüber trans-Personen direkt war es nach ersten anderslautenden Meldungen dabei nicht gekommen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass der Angreifer generell eine Abneigung gegenüber Schwulen, Lesben und queeren Menschen empfindet. Der LSVD nahm die Tat zum Anlass, um auch noch einmal darauf hinzuweisen, wie wichtig speziell geschulte Einsatzkräfte bei Polizei und Justiz sind, um solchen LGBTI*-Hassverbrechen besser entgegentreten zu können. Arnulf Sensenbrenner vom LSVD: „Zwar fördert das Land NRW derzeit den Aufbau einer Meldestelle ´Queerfeindlichkeit´, jedoch brauchen wir deutlich mehr Maßnahmen, die vor allem auch in der Fläche wirken. Dazu gehört nicht nur die Benennung von hauptamtlichen LSBTIQ*-Ansprechpersonen bei der Polizei und den Staatsanwaltschaften. Die Behörden müssen bei der Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt auch verstärkt mit LSBTIQ*-Organisationen zusammenarbeiten, um Vertrauen zu schaffen, Opfern angemessen zu helfen und damit die Anzeigebereitschaft zu steigern. Es braucht zielgenaue Konzepte zur Prävention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz sowie zur ausreichenden Unterstützung von Opferhilfe-Einrichtungen.“

Zuletzt ist die Zahl der Hassverbrechen gegenüber LGBTI*-Menschen in Deutschland binnen eines Jahres um 50 Prozent angestiegen, wobei nach deutschen und europäischen Umfragen rund 90 Prozent der Vorfälle gar nicht erst polizeilich erfasst werden. Der LSVD geht so realistisch geschätzt von mindestens 10.000 Hassverbrechen gegenüber LGBTI*-Menschen pro Jahr aus. Der Angriff in Münster hat darüber hinaus auch eine politische Dimension – in Münster fand genau vor 50 Jahren die allererste CSD-Demonstration für die Rechte von Homosexuellen in Deutschland statt.

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