Coming Out Day Jugendliche kämpfen heute wie damals mit dem Coming Out
Beim heutigen Coming-Out-Day zeigen viele Unternehmen, Behörden sowie Städte und Gemeinden mit Regenbogenfahnen erneut Flagge für die LGBTI*-Community. Der Aktionstag wurde 1988 in den USA ins Leben gerufen, um an eine Großkundgebung für Schwulen- und Lesbenrechte zu erinnern, die im Jahr zuvor stattgefunden hatte; zum „National March on Washington for Lesbian and Gay Rights“ waren damals rund 500.000 Menschen gekommen.
Aktionstag gegen Stigmatisierung
Neben dem Erinnern will sich der Aktionstag heutzutage auch für die Rechte der Community starkmachen und gerade auch junge Menschen bei ihrem Schritt hin zum eigenen Coming-Out ermutigen. Der Tag steht für Toleranz und wendet sich gegen Stigmatisierung und Ausgrenzung. Im deutschsprachigen Raum etablierte sich der Aktionstag schrittweise seit Beginn der 1990er Jahre. In Deutschland will insbesondere auch der Verein Coming Out Day e.V. auf die Situation von jungen schwulen und lesbischen Jugendlichen aufmerksam machen. Im Laufe der Jahre wurde aus dem Aktionstag mit Schwerpunkt auf Homosexuelle ein Gedenktag für alle LGBTI*-Menschen.
Einsam und allein beim Coming-Out
„Junge LSBTIQ* sind in ihrem Coming-Out zumeist einsam und allein, von der Außenwelt ausgegrenzt und oft ganz auf sich alleine gestellt. Häufig kommen Mobbing und Gewalt in Schule und sogar auch im eigenen Elternhaus hinzu. Und dann noch das Gefühl, niemand scheint zu sein und zu fühlen wie sie selbst“, so der Coming Out Day-Verein. Trotz diverser Möglichkeiten, gerade auch online, sich zu Themen rund um das Thema Coming-Out auszutauschen, bleibt der persönliche Schritt bei vielen jungen Menschen bis heute mit großen Hürden und Ängsten verbunden.
Die Folgen sind bis heute drastisch, so der Verein weiter: „Als Resultat von anhaltenden Diskriminierungserfahrungen und ohne die Möglichkeit von Unterstützung haben junge LSBTIQ* eine vier- bis siebenmal höhere Suizidrate, leiden öfter an Depressionen, Essstörungen und selbstverletzendem Verhalten. Und auch heute noch werden junge LSBTIQ* von zuhause rausgeworfen, wenn sie sich outen.“ Der Verein bietet landesweite Beratung via Mail oder auch Messenger an.
Jahrelanges Grübeln vor dem Outing
Auch andere Verbände wie das anyway in Köln legen ihren Schwerpunkt auf Jugendliche und das Coming-Out. Weit über die Hälfte aller Beratungsanfragen drehen sich auch heute noch bei den meisten LGBTI*-Beratungsvereinen um das Coming-Out, dem oftmals mehrere Jahre des Grübelns und Nachdenkens darüber vorausgegangen sind. Im Schnitt sind es bis zu fünf Jahre, so Sven Norenkemper vom Coming Out Day-Verein. Die meisten Jugendlichen bemerken dabei rund um das 13. Lebensjahr erstmals ihre Zuwendung zum gleichen Geschlecht.
Fluch und Segen – die digitale Welt
So viel Informationen dabei die digitale Welt für Jugendliche in dieser Lebensphase bereithält, so schnell erlebt man auch direkt oder indirekt homophobe Angriffe und digitales Mobbing. Erschwerend kommt noch dazu, dass auch in Deutschland die Akzeptanz von LGBTI* in der Gesellschaft erstmals wieder sinkt und parallel dazu die Fälle von Hasskriminalität von Jahr zu Jahr immer weiter zunehmen. Inzwischen ist jeder vierte Deutsche auch wieder gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.
LSVD fordert mehr Einsatz aus der Gesellschaft
Mara Geri aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands wünscht sich am heutigen Tag mehr Einsatz aus allen Teilen der Gesellschaft: „Dieser Tag geht die gesamte Gesellschaft an: Bei allen Verbündeten für die Gleichberechtigung von LSBTIQ* und damit allen Demokrat*innen liegt die Verantwortung, gemeinsam mit der Community ein gesellschaftliches Klima von Akzeptanz und Offenheit zu schaffen, in welchem ein sicheres und positives Coming-Out als LSBTIQ* möglich ist. Regierung und Legislative sind in der Pflicht, LSBTIQ* als Teil der Gesellschaft zu behandeln, ihre Bedarfe zu berücksichtigen und Gesetze inklusiv und queersensibel zu formulieren.“
Ein wichtiger Aspekt sei dabei die Ergänzung des Artikels 3 im Grundgesetz um den Begriff der „sexuellen Identität“, um damit eine Schutzlücke zu schließen. Geri weiter: „Ein sichtbar im Grundgesetz abgesicherter Schutz von LSBTIQ* vor Diskriminierung und Gewalt ist angesichts steigender Zahlen von Gewalt und Anfeindungen dringend erforderlich. Rechtsextreme und menschenfeindliche Ideologien erfahren großen Zulauf. Wir dürfen uns nicht auf bereits errungenen politischen Erfolgen ausruhen, sondern müssen vielmehr weiter für eine Gesellschaft kämpfen, in welcher alle gefahrlos sie selbst sein können.“
Positive Beispiele fürs Coming-Out
Die gute Nachricht mit Blick aufs Coming-Out ist allerdings, dass es grundsätzlich nie zu spät dafür ist. Eine britische Studie zeigte so auf, dass die meisten Outings bei jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren sowie aber auch bei älteren Erwachsenen ab 65 Jahren stattfinden. Zudem ermutigen gerade prominente Outings auch in diesem Jahr viele junge Menschen und zeigen mit positiven Beispielen, dass der Schritt das Leben positiv verändern kann – jüngste Beispiele sind so Stranger-Things-Darsteller Noah Schnapp oder „Heartstopper“-Schauspieler Kit Connor. Außerdem lässt sich festhalten, dass die LGBTI*-Community immer größer wird, in der jüngsten Generation Z definieren sich in Deutschland inzwischen 22 Prozent als homosexuell oder queer (Ipsos Studie 2023) – auch junge LGBTI*-Jugendliche sind also immer seltener allein mit ihren Problemen.
Hilfe beim Coming Out
Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Mit Beratung steht dir auch der Coming Out Verein via Messenger oder E-Mail unter www.coming-out-day.de zur Seite. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de