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Wir feiern 70 Jahre Queen! // © IMAGO / i Images

Britische Gay-Community Feierlichkeiten zum Thronjubiläum haben begonnen

ms - 02.06.2022 - 12:30 Uhr
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Was ist das nur zwischen schwulen Männern und älteren, freundlich lächelnden Damen, die irgendwie etwas schrullig und aus der Zeit gefallen wirken und uns dennoch magisch anziehen? Ob Margaret Rutherford als die einzig wahre Miss Marple, Cher (sie möge mir die Benennung als ältere Dame verzeihen) oder eben die Queen. Nicht gerade wenige schwule Männer hegen eine besondere Zuneigung für die Monarchin, obwohl die noch immer rüstige Seniorin bisher sehr wortkarg in Bezug auf Homosexuellen-Rechte oder die LGBTI*-Community im Ganzen war. Aktuell hofft man, dass sie die Tage bei der sehnsüchtig erwarteten Rede zum Thronjubiläum eine klare Stellung zum Streit um ein Konversionstherapie-Verbot einnimmt. Bisher lautete das Credo allerdings stets, sich nicht in die Tagespolitik einzumischen und dem jeweiligen Premierminister so vielleicht in den Rücken zu fallen.

Und trotzdem: Die britische Gay-Community feiert in diesen Tagen ihre Queen und wenn sie könnte, wie sie wollte, würde sie ihr ein Regenbogenfähnchen in die grauen Haare stecken, ein Tässchen Tee mit ihr trinken und dann darüber plaudern, welcher ihrer Enkel besonders sexy ist und wann das erste offizielle schwule Coming Out Einzug in den Buckingham-Palast hält.

Heute Vormittag haben die viertägigen Feierlichkeiten zum 70. Thronjubiläum von Königin Elizabeth II. begonnen und das Konterfei der rüstigen Lady ist auf tausend verschiedenen Merchandising-Artikeln auch in den Gay-Clubs, Bars und Szenetreffs omnipräsent. Nur in den Darkrooms hat die Queen auch als Werbebild bisher wohl keinen Zutritt bekommen. Zum Auftakt nahmen in London heute mehr als 1.200 Soldaten an einer Parade teil. Ein weiterer Höhepunkt des Tages ist die Entzündung zahlreicher Leuchtfeuer am Buckingham-Palast sowie an vielen weiteren Örtlichkeiten im Vereinigten Königreich.

Für vier Tage will man einfach nur feiern – und auch vergessen, dass sich Teile dieses Königreichs wie Schottland und Wales vehement gegen die britische Politik aus der Downing Street stellen und so für reichlich Ärger auf der Insel sorgen. Die beiden Regionen wollen entgegen der Idee von Premierminister Boris Johnson ein Verbot von Konversionstherapien durchboxen, das auch trans-Personen einbezieht. Auch anderweitig gibt es Probleme, beispielsweise schoss jüngst die Zahl der Hassverbrechen gegen LGBTI* in die Höhe und gerade die Londoner Polizei macht beinahe wöchentlich Schlagzeilen mit Homophobie und Rassismus.

Doch für vier Tage will auch die LGBTI*-Community in Großbritannien das vergessen und mit der Rekord-Queen feiern. Sie ist mit 96 Jahren die älteste amtierende Monarchin weltweit und führte die längste Ehe im britischen Königshaus – bei der Familie ein wahres Wunder. Noch nie vor ihr hat jemand länger auf einem britischen Thron gesessen, wenn sie stirbt, darf Sohnemann Charles, ebenfalls bereits  rüstiger Rentner mit 73 Jahren, vielleicht noch kurz den Thron warmhalten, bevor Prinz William zum neuen König wird. Schafft die Queen noch zwei weitere Jahre, hat sie übrigens sogar den berühmten französischen "Sonnenkönig" Ludwig XIV. als längsten Regenten überholt.

Vielleicht lieben wir die Queen auch einfach, weil alles immer so schön pompös ist und das Wort “pompös“ tatsächlich hier noch Charme und Charakter hat, ganz im Gegenteil zur verbalen Vergewaltigung des Begriffs bei Harald Glööckler. Und die Queen steht stets auch für die große Show – schon bei ihrer Krönung sahen rekordverdächtige 300 Millionen Menschen weltweit zu, so viel wie nie zuvor bei einem TV-Ereignis. Diese Quote dürfte sie indes in den nächsten vier Tagen durchaus toppen können, beim Live-Konzert "Platinum at the Palace" am kommenden Samstag geben sich Weltstar wie Queen, Adam Lambert, Diana Ross, Sir Rod Stewart oder auch Andrea Bocelli die Klinke in die Hand. Einen besonderen Auftritt ist von Sir Elton John angekündigt – wird es ein neues Tribute im Stil von Lady Diana geben? Jener Frau, die viel zu früh verstarb und die die Gay-Community bis heute verehrt, gerade auch, weil sie sich für Aids-Kranke und HIV-Infizierte stark machte, als das noch nicht medial en vogue war.

Überhaupt werden die Feierlichkeiten durchaus auch “ziemlich schwul“ werden – im positiven Sinne. Viele Gay-Ikonen sind ebenso vor Ort, beispielsweise der Brite Stephen Fry. Am Sonntag wird dann in den meisten Gay-Clubs im Land sowie direkt auf der Straße gefeiert werden. Nach dem Motto "Big Jubilee Lunch" wird im ganzen Land auf Stadtteil- und Dorffesten geschlemmt werden – geplant sind aktuell über 200.000 (!) solcher Partys, bei denen lustvoll von langen Tafeln genascht werden darf. Am Ende ist es vielleicht genau das: Die Queen gibt uns schwulen Jungs ein gutes Gefühl, auch in verwirrenden und feindseligen Zeiten. Auf sie ist Verlass. Unerschütterlich steht sie da und sagt uns mit einem Lächeln und einem freundlichen Winken: Alles wird gut, Jungs.

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