Direkt zum Inhalt
Brasiliens neue Zukunft

Brasiliens neue Zukunft Wird das Land langsam schwulenfreundlicher?

ms - 28.03.2023 - 14:00 Uhr
Loading audio player...

Der Caravaggio Futebol Club ist zwar nur ein Fußballclub in der zweiten Liga in Brasilien, doch sorgt er trotzdem in diesen Tagen landesweit für Schlagzeilen – ein junger, offen schwuler Mann wurde erstmals in der Geschichte des brasilianischen Fußballsports zum Clubpräsident gewählt. Die Wahl ist dabei nicht nur aus sportlicher Sicht ein Meilenstein weit über die Grenzen des Landes hinaus, sondern belegt auch eindrucksvoll, dass sich das Land seit der Abwahl des ehemaligen homophoben Präsidenten Jair Bolsonaro schrittweise wandelt.

Das homophobe Klima ändert sich langsam

Immer öfter trauen sich Homosexuelle und queere Menschen selbstverständlicher in die Öffentlichkeit, nachdem sie jahrelang immer mehr nur noch im Geheimen leben mussten. Nicht nur Bolsonaros Politik zielte immer wieder direkt auf Homosexuelle ab, er schaffte auch ein gesellschaftliches Klima, in der Homophobie und offener Hass immer selbstverständlicher wurden – ein Grund, warum Brasilien mit 256 Morden an LGBTI*-Menschen binnen eines Jahres zuletzt das weltweite Ranking in puncto tödlicher Hassverbrechen anführte. Seit dem friedlichen Machtwechsel im Oktober letzten Jahres durch den linksgerichteten Luiz Inácio Lula da Silva ändert sich das glücklicherweise immer mehr – mit dem ersten schwulen Fußballpräsident setzt das Land nun international ein viel beachtetes Zeichen.

Offener Umgang mit der eigenen Homosexualität

Der Name des 35-jährigen, frisch gewählten, homosexuellen Clubpräsidenten ist Moises Spilere, der einstimmig in sein Amt gewählt worden ist. „Mit meiner sexuellen Orientierung bin ich immer sehr offen umgegangen, ich hatte damit nie viele Probleme. Natürlich gibt es nach dem Ende der Pubertät immer dieses Teenager-Drama, wenn es darum geht, es den Eltern oder Freunden zu sagen. Auch ich habe diese Phase ziemlich intensiv durchlebt. Wie alle schwulen Jungen und lesbischen Mädchen, besonders hier in Brasilien, einem ziemlich homophoben Land“, so Spilere gegenüber der Deutschen Welle. Es ändere sich langsam einiges, doch noch immer haben vor allem auch arme und schwarze Homosexuelle viel weniger Chancen in Brasilien als andere Teile der Gesellschaft.

Ein Club für alle

Und leider erlebte Spilere auch selbst mehrfach verbale homophobe Angriffe, nachdem seine Wahl offiziell bekannt geworden war. Online machten sich Fans Sorgen, das Image des Clubs könnte „beschädigt“ werden. Spilere selbst sagt dazu: „Ich möchte nicht, dass der Verein nur deshalb mit meiner Person in Verbindung gebracht wird, weil ich zur LGBTQ-Community gehöre, sondern weil der Verein sehr engagiert arbeitet. Er wird von vielen Händen getragen, wir haben einen breiten und heterogenen Vorstand, der ehrenamtlich arbeitet. Und wir haben einen hohen Frauenanteil, auf den wir sehr stolz sind.“ Der Caravaggio Futebol Club hat seinen Sitz in der 14.000-Einwohner-Stadt Nova Venza.

Träume von einem besseren Brasilien

Der 35-Jährige beschreibt die langsame Wandlung oder Verbesserung des Landes als einen Prozess der Normalisierung: „Wir haben in den letzten Jahren in Brasilien einen wachsenden Hass gesehen, nicht nur gegen die LGBTQ-Agenda, sondern auch gegen andere Minderheiten. Das ist eine sehr traurige Sache. Aber ich versuche immer, das Glas halb voll zu sehen und nicht halb leer.“ So träumt der neue Clubpräsident nicht nur von einem schwulenfreundlicheren Brasilien, sondern natürlich auch von dem Aufstieg seines Vereins in die A-Liga der Fußballclubs bis hin zur nationalen Meisterschaft. Für beide Vorhaben will man dem engagierten Mann alles Gute wünschen.

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Strafe, weil er CSD zuließ?

Anklage gegen Gergely Karácsony

Der Bürgermeister von Budapest sieht sich mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, weil er die Pride-Parade im Juni 2025 ermöglicht hat.
Vorurteile im Kampf gegen HIV

Religiöser Hass in Uganda

Christliche Kirchen verhindern aus Homophobie in Uganda die Unterstützung von Menschen mit HIV, wie die jüngste UNAIDS-Studie belegt.
Rollback in Arlington

Ende bei Antidiskriminierungsschutz

Die erste Stadt in den USA, Arlington, hat jetzt die LGBTIQ+-Antidiskriminierungsgesetze aufgehoben. Eine Entwicklung mit landesweiter Signalwirkung.
Homosexuelle als Bedrohung

Neue Stigmata in Malaysia

Der größte islamische Jugendverein in Malaysia erklärte homosexuelle Menschen zur Bedrohung und fordert weitere Restriktionen gegen die Community.
Asyl für queere Flüchtlinge

Neues Zentrum in Amsterdam

In Amsterdam soll ein neues Asylzentrum nur für queere Flüchtlinge und alleinstehende Frauen entstehen.
Kontenlöschungen bei Meta

Queere Gruppen und Frauen betroffen

Meta steht massiv in der Kritik, zahlreiche Konten mit queeren Inhalten sowie zu Frauenrechten und Abtreibung gelöscht oder stark zensiert zu haben.
Neue Diskriminierung

Keine HIV-positiven US-Soldaten

Das US-Verteidigungsministerium will HIV-positive Soldaten entlassen. Ob das gelingt, ist derzeit Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung.
Klage gegen Erzbistum Köln

Vorwurf von sexuellem Missbrauch

Ein 70-jähriger Mann hat jetzt das Erzbistum Köln wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch in seiner Jugend auf eine Million Euro Schmerzensgeld verklagt
Hassdelikt: Polizei ermittelt

Ein gezielter Tritt gegenLGBTIQ+

Ein Postbote in Belfast wurde entlassen, weil er einen Gartenwichtel in Regenbogenfarben samt Pride-Flagge mutwillig umstieß.